Der perfekte Sonntagnachmittag? Alle Freunde sitzen gemeinsam um den großen Tisch im Garten, die Würstchen und vegetarischen Gemüsepäckchen auf dem Grill brutzeln, auf dem Rasen wird die Mölkky-Meisterschaft ausgetragen. Einziger Wermutstropfen: der Garten, in dem wir sitzen, gehört nicht mir, sondern meinen Freunden.
Meine Freunde besitzen eine Oase mitten in Braunschweig. Sie haben vor zwei Jahren einen Schrebergarten im Kleingartenverein Mutterkamp e. V. gepachtet, seitdem ist der Garten nach dem eigenen Balkon zu unserem dritten Wohnzimmer geworden. Sobald das Wetter gut ist, treffen wir uns hier zum Grillen, Zeitverbringen oder, um am Abend um den Feuerkorb zu sitzen. Manchmal glaube ich, meine Freunde hätten sehr gern ein bisschen mehr Zeit für sich.
Auf dem Weg zur Parzelle bemerke ich, dass die meisten Gartenbesitzer im Mutterkamp in unserem Alter sind – Anfang bis Ende 30, viele haben Kinder. „In der Tat gibt es so etwas wie einen Generationswechsel“, erzählt Sabine Schnur, Kassenwärtin und Frau des ersten Vorsitzenden Andreas Schnur. „Viele ältere Personen geben ihren Garten ab, weil sie ihn nicht mehr bewirtschaften können, und vor allem junge Familien rücken nach.“ Ich habe mich mit den beiden verabredet, um das Geheimnis des Schrebergartens zu lüften: Warum wollen immer mehr junge Menschen einen Schrebergarten besitzen? Vor nicht allzu langer Zeit galt ein Kleingartenverein noch als Hort von Spießertum, Kleinbürgerlichkeit und Gartenzwergen. Und jetzt sind die Wartelisten für eine Parzelle in begehrter Lage lang.
119 Gärten auf 56.000 Quadratmeter verwaltet der KGV Mutterkamp. „Bei uns mieten viele Familien Gärten, weil unser Verein sehr kinderfreundlich ist“, erklärt Andreas Schnur. „Wir haben einen öffentlichen Spielplatz, wo die Kinder gemeinsam spielen und sich kennenlernen können. Außerdem bieten wir einmal im Monat einen Kindernachmittag an, da werden dann Gießkannen bemalt, Ohrenkneiferhotels gebaut oder Gartentagebücher geschrieben. Und die Eltern kommen so auch ins Gespräch.“ Die Gemeinschaft der Gärtner ist dem ersten Vorsitzenden sehr wichtig, immer wieder kommen wir im Gespräch auf das Thema zurück. „In einem Verein steht die Gemeinschaft an erster Stelle.“
Ein Platz für Kinder zum Spielen und Großwerden, dieses Argument leuchtet mir als Dorfkind und Stadtliebhaberin sofort ein. Aber das kann nicht der einzige Grund für den Hype um Schrebergärten sein. Schließlich interessiert sich ein anderes befreundetes, kinderloses Paar ebenfalls für einen Garten im KGV Mutterkamp.
„Sinn des Kleingartens war es, sich selbst versorgen zu können“, erzählt Sabine Schnur. „Unser Verein wurde 1935 gegründet, da gab es noch keine Supermärkte an jeder Ecke. Das ist heute natürlich ganz anders, aber es gibt einige Pächter, die lieber ihr eigenes Gemüse und Obst anbauen.“ Ein Drittel der Gartenfläche muss in einem Schrebergarten bewirtschaftet werden, heißt, hier sollen Möhren, Bohnen, Kartoffeln, Beeren oder Äpfel wachsen. „Das Gemüse ist natürlich nicht gespritzt – denn das verbieten die Richtlinien des Bundeskleingartengesetzes.“
„Richtlinien des Bundeskleingartengesetzes“ klingt nun doch wieder spießig. „Natürlich gibt es Regeln und natürlich sind die für den einzelnen auch nicht immer vorteilhaft. Aber nur, wenn wir uns als Verein an das Gesetz halten, sind wir gemeinnützig und können die Miete für die Gärten so niedrig halten. Und manche Regeln dienen ja auch dem Gemeinwohl – wie die acht Stunden Arbeitseinsatz für Gemeinschaftsprojekte. Ohne die hätten wir den schönen Spielplatz und Kaffeegarten nicht bauen und unser Vereinsheim auch nicht renovieren können.“ Andreas Schnur ist schon wieder in seinem Element.
Auf der Ich-will-unbedingt-einen-Schrebergarten-Liste stehen bislang die Kinderfreundlichkeit und der Anbau des eigenen Gemüses. Da muss es doch noch mehr geben. Einstimmig antworten mir die Schnurs: „Entspannung!“ Sabine Schnur liebt die Zerstreuung bei der Gartenarbeit, Andreas Schnur mag es, in der Natur zu sein und die eigenen Kartoffeln zu ernten. Und beide mögen das persönliche Miteinander, das berühmte Schwätzchen über den Gartenzaun. Das, finden sie, könnte noch häufiger stattfinden.
Ich glaube, so langsam eine Ahnung zu bekommen, warum das Kleingartenwesen so beliebt ist. Nicht zuletzt die wachsende Anzahl von Zeitschriften, die sich mit dem Thema Natur und Garten beschäftigen, und die neue Lust am Wandern zeigen, dass wir in unserer Freizeit wieder mehr draußen sein wollen. Die Natur erleben und den Dingen beim Wachsen zusehen. Dass die Kinder in einem geschützten Raum spielen und toben können und dass man beim Dinner mit Freunden das selbst angebaute Gemüse servieren kann, beides bestärkt nur die Lust am Schrebergarten. Spontan fällt mir noch Herzblut als Argument ein. Das Herzblut, das Sabine und Andreas Schnur wie viele andere in den Verein stecken, ist es, was diesen und die anderen Kleingartenvereine so beliebt macht.
Über einhundert Kleingartenvereine gibt es derzeit in Braunschweig über das Stadtgebiet verteilt. Wenn Sie jetzt Lust auf Gärtnern und Schrebergarten bekommen haben, finden Sie bestimmt auch einen Kleingartenverein in Ihrer Nähe.
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