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Hilfe, pianoforte bitte!

Es gibt viele Sachen, die man retten kann: Menschen, Tiere, den Regenwald oder manchmal schlichtweg eine Situation, wenn man an der richtigen Stelle lacht. Das Städtische Museum und der Braunschweiger Klavierbauer Grotrian-Steinweg haben es sich zur Aufgabe gemacht, historische Klaviere und Flügel aus der Musikinstrumentensammlung des Museums zu retten. Seit knapp einem Jahr existiert das Projekt „Instrumentenretter gesucht!“, an dem sich bereits viele Stiftungen und private Spender beteiligt haben. Mit Erfolg, denn das erste Stück, ein Hammerflügel aus rötlich gebeiztem Mahagoni, ist auf dem Weg zum Restaurator.

Um mehr über die Macher heutiger Klaviere zu erfahren, mache ich einen Abstecher bei Grotrian-Steinweg im Norden der Stadt, in Veltenhof. Guido Dopslaff, Betriebsleiter und verantwortlich für die Auszubildenden, empfängt mich und führt mich in die Räume voller Klavierbaukunst. Es ist ein bisschen so, wie ich es mir vorgestellt habe: eine große Halle mit Holzgeruch in der Luft, aber auch Maschinengeräusche. Guido Dopslaff erklärt: „Um mit anderen Ländern mithalten zu können, können wir uns dem maschinellen Einsatz nicht vollkommen verschließen. Nichtsdestotrotz  ist Klavierbau immer noch zu 75 Prozent Handarbeit.“ So werden die Teile des Korpus beispielsweise mehrfach maschinell geschliffen bis die Grenzen der heutigen Technik erreicht sind. Für die Kantenübergänge ist jedoch nach wie vor ein Mensch nötig. Der deutsche Klavierbau ist übrigens weltweit führend, kein abwegiger Fakt, hat die Klaviermusik doch historisch gesehen ihren Ursprung in Mitteleuropa.

Rund 40 Mitarbeiter sind an der Produktion beteiligt. Die Hälfte davon sind Klavierbauer, die andere stammt aus genrefremden Berufen und sind angelernte Fachkräfte wie Lackierer, Tischler und Spezialisten für Oberflächen. Grotrian-Steinweg bildet zur Zeit acht Klavierbauer und zwei Holzmechaniker aus. Das Einsatzgebiet eines Klavierbauers ist die Klaviatur und die damit verbundene Mechanik und Prozesse wie Montage, Einrichtung, Feinjustierung und das Stimmen. Gleichzeitig muss er einen Überblick über den gesamten Produktionsverlauf haben, um zu wissen, wie er aufgrund bestimmter Prozesse und physikalischer Gegebenheiten wie zum Beispiel Statik, das gewünschte Klangergebnis erreichen kann. Alles in allem eine höchst menschenabhängige Tätigkeit, denn alle Einzelteile werden je nach Modell individuell aufeinander abgestimmt. Zwar gibt es theoretische Richtlinien, welche Teile wie zusammengefügt zum gewünschten Klangergebnis führen, dennoch sind die Toleranzen aufgrund der natürlichen Materialien zu groß, als dass man ein Klavier quasi blind zusammenbauen könnte.

Ein Lager, gefüllt mit fertigen Exemplaren, sucht man hier vergeblich. Guido Dopslaff erklärt mir, warum: „Bis zu einem bestimmten Punkt wird das Grundgerüst des Klaviers vorgefertigt. Erreicht uns dann ein Auftrag, wird es nach Kundenwünschen innerhalb von zwei Wochen fertig gestellt.“ Die Bestellungen kommen aus aller Welt, wie der Blick in die Verpackstation zeigt: Während meines Besuchs werden Klaviere nach St. Petersburg, China, Stuttgart und in die Niederlande versandfertig  vorbereitet.

Voller Input und „Aha, so ist das also!“-Erlebnisse verabschiede ich mich von Guido Dopslaff und schaue noch auf einen Kaffee im Büro beim Geschäftsführer Burkhard Stein vorbei. Er erzählt mir von der komplexen Familiengeschichte  und warum ihm das Instrumentenretter-Projekt am Herzen liegt. Ein Großteil der Musikinstrumentensammlung schenkte die Familie Grotrian-Steinweg 1985  anlässlich ihres 150-Jährigen Familienjubiläums der Stadt Braunschweig. Einige Stücke der Sammlung wie das Tafelklavier Nr. 1 von 1835 und der Flügel der berühmten Pianistin Clara Schumann sind heute aufgearbeitet in der Ausstellung im Städtischen Museum zu sehen. Die noch beschädigten Klaviere sind gesichtet und sortiert und werden zur Zeit vom Museum eingelagert. Einen guten Eindruck vom Zustand der unrestaurierten Exemplare bekommt man übrigens in diesem Video. Allesamt dokumentieren die Klaviere den Klavierbau zu ihrer jeweiligen Zeit. Über 100.000 Euro sind bereits zusammengekommen und ermöglichen die Aufarbeitung des Hammerflügels. Insgesamt werden vermutlich zwei Millionen benötigt, um allen Exemplaren ihr ursprüngliches Äußeres wiederzugeben. „Ziel ist es natürlich alle Klaviere Stück für Stück so wiederherzustellen, dass sie in die Ausstellung können. Dahinter dürfe sich jedoch eine Lebensaufgabe verbergen“, schätzt Burkhard Stein. Selber restaurieren können Grotrian-Steinweg nicht, da sich hinter originalgetreuer Wiederherstellung und Neuproduktion unterschiedliche Arbeitsweisen verbergen. Aus diesem Grund übernehmen speziell ausgebildete Restauratoren die Aufgabe.

Wer sich an dem Projekt beteiligen möchte, kann unter dem folgenden Konto spenden:

Spendenkonto: Städtisches Museum Braunschweig
Kontonummer: 199915000
Bankleitzahl: 250 500 00
Verwendung: Grotrian Flügel Nr. 7.000

Wer dem gespielten Klavier gerne zuhört, wird beim 61. Internationalen Klavierspielwettbewerb in glücklichen Hörgenuss kommen. Vom 9. bis 11. Januar 2015 zeigen Kinder und Jugendliche unterschiedlicher Altersstufen und aus aller Welt in verschiedenen Stilepochen ihr Können. Das Abschlusskonzert findet am 11. Januar 2015 um 18 Uhr im Großen Haus des Staatstheaters statt.

(Artikelbild: BSM)

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