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Nie wieder Parkplatzsuche

Ein harter Arbeitstag ist überstanden und der ersehnte Feierabend scheint in greifbarer Nähe. Doch zu früh gefreut. Eine gefühlte Ewigkeit kreise ich wie ein hungriges Raubtier um den Block, angespannt auf der Suche nach der ersehnten Beute: einem freien Parkplatz. Zu Fuß wäre ich schneller gewesen, raunt die Stimme in meinem Kopf. Parkplatzsuche kostet nicht nur Zeit und Nerven, sie ist auch ein wachsendes Problem für Stadtplanung und Umwelt. Das junge Team von AIPARK bietet dank cleverer Nutzung moderner Technologien eine geniale Lösung.

Den Alltag entspannter machen

„Parksuchverkehr, so der Fachjargon, ist eigentlich total dämlich. Man hat ja nur das eigene Sichtfeld und fährt so lange rum, bis man eine Lücke findet“, erzählt mir Julian Glaab und trifft den Nagel auf den Kopf. „Und das machen Millionen Menschen gleichzeitig.“ Experten schätzen, dass in größeren Städten die Parkplatzsuche bis zu 40% des Gesamtverkehrs ausmacht. „Auch in Braunschweig fährt während der Rush Hour rund ein Viertel der Autos nur im Kreis“, fasst der Jungunternehmer den täglichen Irrsinn zusammen. Und der sei nicht nur individuell belastend, sondern auch auf makroskopischer Ebene ein Problem: Lärm, Straßenschäden, CO2-Ausstoß. Doch das muss nicht sein.

Und so machen sich Julian und das Team von AIPARK die anonymisierten Mobilitätsdaten, die inzwischen jedes Smartphone sendet, geschickt zunutze: Deutschlandweit sechs Millionen PKW-Nutzer umfasst der Daten-Pool, auf den die Braunschweiger zurückgreifen können. Verlangsamt sich jemand von 50 auf 5 km/h, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass das Auto geparkt wurde und der Nutzer jetzt zu Fuß ist. Diese Daten lassen drei Rückschlüsse zu: Wo ist eine Parklücke, wann wurde sie belegt und wann ist sie wieder frei geworden. Während das System noch nicht so genau ist, dass es den Fahrer zu einer konkreten Lücke navigiert, erleichtert es die Parkplatzsuche durch Rechnen in Wahrscheinlichkeiten: Biege an der Kreuzung links ab, dort findest du vermutlich einen Parkplatz!

Die App analysiert Verkehrsdaten und errechnet die Wahrscheinlichkeit für einen freien Parkplatz nahe des Zielgebiet und navigiert direkt dorthin. Foto: AIPARK

Die App analysiert Verkehrsdaten und errechnet die Wahrscheinlichkeit für einen freien Parkplatz nahe des Zielgebiet und navigiert direkt dorthin. Foto: AIPARK

Von der Uni auf den Chefsessel

Die Idee entwickelte Julian mit seinen Freunden bereits während des Studiums. Der 24-Jährige stammt aus Regensburg, kam nach einem Bachelor an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg zum Master-Studium nach Braunschweig: „Die TU hat einen sehr guten Ruf, insbesondere wegen ihres internationalen Charakters“, begründet er seine Wahl. „Das International Office ist echt fit.“ Kürzlich hat er einen zweiten Master in den USA gemacht, zuvor war er in Russland und Kanada.

Julian Glaab in den Büroräumen von AIPARK im Technologiepark am Rebenring. Foto: Stephen Dietl

Julian Glaab in den Büroräumen von AIPARK im Technologiepark am Rebenring. Foto: Stephen Dietl

„Ich hatte mich auf die Themen Data Science und Computer Vision spezialisiert. So habe ich auch meine Mitunternehmer kennengelernt“, erzählt Julian. „Johannes hat denselben Werdegang wie ich, und die anderen vier haben wir auf einer Studentenparty getroffen.“ Alle hatten schon Arbeitserfahrung in großen Konzernen und wollten neue Wege gehen. Die Idee für AIPARK entstand in einem Projekt, bei dem es darum ging, eine App zu bauen. Mit Künstlicher Intelligenz und Big Data kannten sie sich aus, das Thema Mobilität war spannend und Braunschweig dafür ein attraktiver Standort – da lag das Thema Parken nah. Sie entwickelten ein funktionierendes System und ihr Professor riet ihnen, mehr daraus zu machen. Am Ende unzähliger Pitches und Förderanträge stand ein EXIST-Gründerstipendium des Bundeswirtschaftsministeriums – und zu Beginn diesen Jahres schließlich die Gründung von AIPARK.

•Software-Entwickler und Mit-Unternehmer Marcel Kessler, Mathias Natho und Mathias Rudnik (v.l.n.r.). Foto: Stephen Dietl

• Software-Entwickler und Mit-Unternehmer Marcel Kessler, Mathias Natho und Mathias Rudnik (v.l.n.r.). Foto: Stephen Dietl

Was treibt sie an, frage ich. „Wir machen das natürlich nicht, weil uns Parken so viel Spaß macht“, erklärt Julian und lacht. „Wir können neue Technologien auf dieses Problem anwenden, es auf spannende Weise beleuchten. Wenn wir am Ende einen Beitrag dazu leisten, dass unsere Gesellschaft ein bisschen entspannter läuft, wäre das schon super.“

Kein Hipster-Hype nötig

Auf das Stipendium folgte der Cebit Innovation Award sowie eine Förderung durch das Start-up-Zentrum Mobilität und Innovation (MO.IN) der Braunschweig Zukunft GmbH am Rebenring, wo das Team kürzlich auch moderne Büroräume bezog. Inzwischen zählen zehn namhafte Unternehmen zu den Kunden von AIPARK. Das Produkt: Keine eigene App – sie dient vorrangig Demonstrationszwecken –, sondern die live berechneten Parkverkehr-Daten, welche die Anbieter von Navigations-Software und ähnlicher Services nahtlos in ihre eigenen Produkte einbinden können.

Aus den Mobilitätsdaten von mobilen Geräten der Nutzer lässt sich eine Parkkarte erstellen, die statische und dynamische Parkplatzdaten in Echtzeit anzeigt. Grafik: AIPARK

Aus den Mobilitätsdaten von mobilen Geräten der Nutzer lässt sich eine Parkkarte erstellen, die statische und dynamische Parkplatzdaten in Echtzeit anzeigt. Grafik: AIPARK

Elf Mitarbeiter hat das Startup mittlerweile. Nun wird eine Außenstelle in Berlin aufgebaut, um die dortigen Synergien zu nutzen. Dem hippen Startup-Hype steht Julian jedoch skeptisch gegenüber: „Mit Latte Macchiato und in Sneakers im Büro rumlaufen, sieht zwar cool aus, doch das ist nur ein Lifestyle“, so der Gründer. „Ich arbeite nicht für den Lifestyle, sondern weil ich mein Leben finanzieren will.“ Dennoch sind eine lockere Arbeitsatmosphäre und flache Hierarchien bei AIPARK selbstverständlich, schließlich sind die Gründungsmitglieder auch Gesellschafter des Unternehmens und haben sich nicht ohne Grund gegen eine Karriere in großen Konzernen entschieden.

Und privat? „Man braucht auf jeden Fall eine Freundin, die das mitmacht“, denn als Gründer habe er selten um 16 Uhr Feierabend, und die Wochenenden seien ebenfalls oft ausgebucht. „Meine Freundin hat aber auch ihr eigenes Startup, von daher herrscht bei uns gegenseitiges Verständnis“, freut sich Julian über die glückliche Konstellation.

Immer aktiv bleiben

Was war die größte Herausforderung bei der Gründung, frage ich abschließend. „Geldgeber von unserer Idee zu überzeugen. Sowas wird im Studium nicht vermittelt. Da haben wir zu Anfang auch Kontakte verbrannt“, erinnert er sich und lacht: „Also sollte man die unwichtigsten zuerst angehen.“ Sonst noch Tipps an zukünftige Unternehmer? „Am besten schon während des Studiums gründen. Später ist das Leben teurer und du hast mehr Verpflichtungen.“ Und ständig aktiv solle man sein, keine Angst haben, auch mal zu scheitern: „Je mehr du unternimmt, desto höher die Erfolgswahrscheinlichkeit.“

Das AIPARK-Team zu Besuch in den Wichmannhallen. Foto: AIPARK

Das AIPARK-Team zu Besuch in den Wichmannhallen. Foto: AIPARK

Für rund 60 Millionen Parkplätze in 140 deutschen Städten bietet AIPARK seine Daten inzwischen an, nun geht es ins Ausland. Mittelfristig wird es sogar in Echtzeit funktionieren und viele weitere nützliche Daten eingebunden: Von Öffnungszeiten über Vorlesungsverzeichnisse bis hin zu Konzert-Terminen – in nicht allzu ferner Zukunft muss ich dank der Arbeit von AIPARK keine kostbare Zeit mehr mit Parkplatzsuche verbringen!

Informationen

AIPARK GmbH
Technologiepark, Rebenring 33
38106 Braunschweig
www.aipark.de

Titelbild: Andreas Müller, Johannes Riedel, Matthias Natho, Mathias Rudnik, Julian Glaab und Torgen Hauschild (v.l.n.r.) vom AIPARK-Team. Foto: AIPARK.

Text: Stephen Dietl

1 Comment

  • Tobias Müller

    Antworten
    26.08.2020at14:47

    Vielen Dank für den Beitrag zur Parkplatzsuche. Mein Bruder wohnt in einer Großstadt und hat jeden Tag damit zu kämpfen, einen Parkplatz für sein Auto zu finden. Gut zu wissen, dass die Parkplatzsuche bis zu 40 % des gesamten Verkehrs auf den Straßen ausmacht.

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