Vor dem Café Tante Emmelie begrüßt mich Till Eulenspiegel lächelnd. Zumindest nicke ich seiner schelmischen Bronzegestalt am Bäckerklint kurz zu und lasse ihn im Kreise seiner Eulen und Meerkatzen zurück. Der folgende Schritt ins Tante Emmelie ist ein Sprung in vergangene Jahrzehnte, als man noch ganz selbstverständlich im Tante-Emma-Laden um die Ecke Dinge für den täglichen Bedarf einkaufte. Hohe Holzregale gefüllt mit unzähligen Einweckgläsern, Saft- und Weinflaschen, eine kleine Theke und einige gemütliche Tische mit rotkarierten Decken erfasst mein Auge als erstes. Genauso einen Laden wollte Inhaberin Sabine Ralph in Brauschweig eröffnen. Nur den Namen durfte sie nicht verwenden, da er urheberrechtlich geschützt sei, erzählt sie mir. Doch eine entfernte Verwandte namens Emmelie diente als Inspiration und setzte dem unglücklichen Umstand ein Ende.
Das Interieur strahlt mit seinen warmen und natürlichen Materialien eine wohlige Atmosphäre aus, die auch meinen Magen erreicht, als Sabine Ralph mir von ihrem kulinarischen Angebot erzählt. Beim Frühstück, beim Mittagstisch und dem nachmittäglichen Stück Kuchen sowie den käuflich zu erwerbenden Kolonialwaren wird das Augenmerk auf hochwertige und nachhaltige Lebensmittel gelegt. Bioqualität reiht sich in eine regionale und saisonal verarbeitete Riege ein, vieles wird vollständig selbst produziert. Ausgewählte Leckereien stammen aus anliegenden europäischen Ländern. An dieser Stelle sei die charmante Tatsache erwähnt, dass das Tante Emmelie über eine eigene kleine Backstube verfügt, in der frisches Brot hergestellt wird.
Auf Grund der begrenzten Kapazitäten hat Sabine Ralph entschieden, sich bei den Mittagsgerichten auf Suppen zu konzentrieren, im Sommer wird auch Salat angeboten – selbstverständlich mit hausgemachtem Dressing und Butterstulle. Rezepttechnisch orientiert sie sich dabei überwiegend an hausmannsköstlichen Traditionen, überrascht jedoch hin und wieder mit modernen Elementen wie Ziegenkäsemus und karamellisierten Walnüssen. Der bereits angesprochene begrenzte Raum bedingt, dass wenig gelagert oder gekühlt werden kann. Daher gilt: Was weg ist, ist weg. Essen gibt es – wie es in der Karte steht – solange der Hahn kräht, sprich solange etwas vorrätig ist. Festgesetzte Frühstückszeiten gibt es daher auch nicht, Brot, Käse, Marmelade und Co werden serviert bis alles weggeputzt ist. Als Sabine Ralph merkt, wie sich meine Gesichtszüge beim dem Codewort „Marmelade“ freudig verändern, verrät sie mir etwas mehr. Ein Familienbetrieb mit eigenem Obstanbau im Spreewald produziert den bei Sabine Ralph angebotenen süßen Brotaufstrich, der 90 Prozent Fruchtanteil enthält. 10 Jahre haben sie an dem Rezept gefeilt und wurden schließlich mit der Auszeichnung als eine der besten Marmeladen Europas dafür belohnt. Man merkt, dass sie weiß, was in ihren Produkten steckt. Auch die Einrichtung ist alles andere als Massenware. Hier passt kein Teller zum nächsten, die Dekoartikel wie ein altes Waschbrett oder antike Kaffeekanne hat sie meist auf dem Flohmarkt erstanden. Meine Frage, ob die Dekorationsphase abgeschlossen sei, verneint sie. Da werde noch ganz viel wachsen und ihr großer Wunsch sei es, in Braunschweig eine kleine Pâtisserie zu eröffnen …
Das Tante Emmelie ist ein Ort mit Stil, Herz und ganz viel Liebe zum Detail. Etwa 35 Personen finden einen gemütlichen Sitzplatz, bei schönem Wetter auch draußen am Eulenspiegel-Brunnen. Gerade zum Wochenende empfiehlt sich eine Reservierung, am besten zwei bis drei Tage vorher. Die Zusammensetzung des Publikums ist sehr unterschiedlich, von Familien über hip und schick bis hin zu Best Agers ist alles vertreten. Allen gemein ist der Appetit auf gutes Essen in heimeliger Atmosphäre.
Adresse und Öffnungszeiten
Bäckerklint 1 38110 Braunschweig
Mo. bis Sa.: 9.00 bis 18.00 Uhr
Telefon: 0531 – 61 499 634
(Artikelfoto: Docks of Design – Cihan Celik)
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