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Programmierbarer Alltag

Für die einen ist es ein Albtraum, für die anderen die Zukunft, die sie vor lauter Vorfreude und Technik-Begeisterung kaum erwarten können: Smartphones, Computer und Roboter, die uns als tägliche Begleiter in beinahe allen denkbaren Situationen zur Seite stehen. Mehr als 100 Nachwuchs-Tüftler zeigten beim „Tag der jungen Softwareentwickler“, wie „programmierbar“ unser Leben sein könnte.

Die Jury ließ sich von den Teams alle Projekte ganz genau erklären. Foto: BSM

Die Jury ließ sich von den Teams alle Projekte ganz genau erklären. Foto: BSM

Ich folge Phil Lindow durch die vierte Etage des Informatikzentrums in der Mühlenpfordtstraße. Gemeinsam starren wir auf sein Smartphone. Es soll uns durch die Flure zum Treppenhaus auf der anderen Seite führen. Was einfach klingt, weil diese Smartphone-Funktion viele täglich auf dem Weg durch die Stadt nutzen, ist alles andere als selbstverständlich. Der Grund: GPS, also Navigation per Satellit, wie wir sie im Auto oder zu Fuß nutzen, bringt uns innerhalb geschlossener Gebäude herzlich wenig. Phil und sein Team haben deshalb die Decke der vierten Etage mit sogenannten „iCookies“ bestückt. Diese senden per Bluetooth 4.0 ihre Position, woraufhin die von den jungen Wissenschaftlern entwickelte Smartphone-App das Signal empfängt und so die Position des Mobiltelefons ermittelt. Das sei zwar nicht so exakt wie GPS und die Technologie der iCookies noch verbesserungswürdig, aber das Prinzip könne die Orientierung in großen Gebäuden deutlich vereinfachen. „Zum Beispiel in Krankenhäusern“, sagt Teamkollege Lennart Thieleke. Das Peter L. Reichertz Institut für Medizinische Informatik betreute das Projekt mit.

Die vorgestellten Projekte beim „Tag der jungen Softwareentwickler“ sind Ergebnisse des Softwareentwicklungspraktikums, das alle Bachelor-Studenten der Informatik, Wirtschaftsinformatik und Informationssystemtechnik absolvieren müssen. „Im Studium haben sie das nötige Handwerkszeug gelernt, im Praktikum sollen sie ihr Wissen anwenden und mit dem praktischen Programmieren vertraut werden“, erklärt mir Prof. Ina Schäfer vom Institut für Softwaretechnik und Fahrzeuginformatik der TU Braunschweig.

An Kreativität fehlt es ihnen offensichtlich nicht. Eine Gruppe demonstriert mir ihren „Smart Cart“, einen intelligenten Einkaufswagen für den Supermarkt (siehe Titelbild). Er erfasst per Kinect-Kamera die Person und folgt ihr mithilfe eines kleinen Motors automatisch durch die Regalreihen. Dabei erkennt er sogar selbstständig Hindernisse. Die Einkaufsliste hat der Wagen natürlich auch abgespeichert, und dank eines Produkt-Scanners werden Lieblingskäse, Marmelade und Bier von der Liste gestrichen, sobald sie in den Wagen kommen.

Für einen Platz auf dem Podium reicht es am Ende weder für die Indoor-Navigation noch für den „Smart Cart“ Einkaufswagen. Der erste Platz geht an das Team, das eine Sprachsteuerung für Autos entwickelt hat, mit der sich Fahrer unterwegs aktuelle Nachrichten zu gewünschten Themen vorlesen lassen können. Das Besondere: Durch die Verarbeitung semantischer Informationen bietet das System eine hohe sprachliche Qualität.

Auf den Rängen zwei und drei wird es verspielt. „GamiFITation“ heißt das zweitplatzierte Projekt, bei dem sich ein spielerischer Wettbewerb zwischen den Kontrahenten im realen Leben abspielt, aber in Form eines Browsergames verarbeitet wird. So kommt unter anderem ein FitBit-Armband zum Einsatz, das die Schritte der Spieler zählt. Wer sich mehr bewegt, kann mehr Punkte sammeln – das soll unter anderem den positiven Effekt haben, dass Menschen im Alltag aktiver werden. Spielerisch geht es auch auf dem Bronzerang zu. Die drittplatzierten Studenten entwickelten das Spiel „Labyrinth Games“, bei dem ein betrunkener Pinguin und ein Geisterpinguin durch ein Labyrinth navigiert werden müssen.

Lego Mindstorm-Roboter lösen das japanische Computerspiel „Sokoban“ eigenständig. Foto: BSM

Lego Mindstorm-Roboter lösen das japanische Computerspiel „Sokoban“ eigenständig. Foto: BSM

Bei Wettbewerben wird ja immer gern betont, es ginge nicht ums Gewinnen. Beim „Tag der jungen Softwareentwickler“ kann man aber tatsächlich sagen, dass alle Studenten stolz auf sich sein können. „Viele der Teilnehmer hatten vorher noch gar keine praktische Programmier-Erfahrung“, sagt Ina Schäfer. Und genau deshalb verdienen sie alle große Anerkennung, von der Bibliothekssoftware über den Achterbahnsimulator als Konstruktionshilfe für Ingenieure bis hin zu den Entwicklern von „Lego Sokoban“, bei dem Lego Mindstorm-Roboter das japanische Computerspiel „Sokoban“ eigenständig lösen (siehe Foto rechts).

Viele dieser Innovationen, so provisorisch und verspielt sie hier derzeit noch erscheinen, können im Alltag künftig zu wertvollen Helfern werden. Ein Albtraum sind sie deshalb gewiss nicht.

(Artikelbild: BSM)

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