Karneval ist für mich nicht nur ein Hobby, Karneval ist mein Lebensmotto. Mittlerweile tanze ich schon seit 15 Jahren in der Prinzenehrengarde der Karnevalvereinigung der Rheinländer, und trotzdem bin ich jedes Jahr aufs Neue unendlich aufgeregt, wenn mein großer Tag endlich vor Tür steht: die Prunksitzung. Alle drei Braunschweiger Vereine haben einmal in der Karnevalssession ihre eigene karnevalistische Sitzung in der Stadthalle. Den Beginn macht dabei traditionell immer die Braunschweiger Karneval-Gesellschaft mit dem großen Büttenabend, danach folgt „ne Kappe buntes“– die Karnevalsschow der Mascheroder Karnevalgesellschaft und den Abschluss bildet die Karnevalvereinigung der Rheinländer mit der großen Prunksitzung, immer genau einen Abend vor dem Karnevalsumzug. Die Prunksitzung ist die größte Veranstaltung, auf der ich auftrete, und definitiv mein Höhepunkt der karnevalistischen Session. Was an diesem Tag alles passiert? Ich nehme Sie mit hinter die Kulissen!
15:00 Uhr Generalprobe
Während die anderen Vereinsmitglieder schon seit Stunden den großen Saal der Stadthalle mit bunten Luftballons, Stoffen, Blumen und Bühnendekorationen verschönern, treffen alle Tänzerinnen und Tänzer meistens erst am frühen Nachmittag ein. Jede Garde, Tanz- und Musikgruppe hat vor der Show noch einmal Zeit für eine Generalprobe, jedoch ist der Zeitplan dafür stets eng getaktet. Deshalb ist es besonders wichtig, dass ich mich sofort aufwärme, wenn ich angekommen bin, damit einem reibungslosen Übungsdurchlauf nichts mehr im Wege steht. Zusammen mit unserer Trainerin gehen wir auf der Bühne die verschiedenen Aufstellungen der Choreografie durch und passen sie den Gegebenheiten an – wir wollen ja nicht, dass eine der Tänzerinnen plötzlich mit einem Radschlag von der Bühne fällt oder eine Dekoration umreißt. Dann tanzen wir noch ein letztes Mal zur Musik – war die Generalprobe nicht fehlerfrei, bringt das übrigens Glück für den Auftritt!
17:00 Uhr Das perfekte Styling
Neben dem synchronen Tanz macht eine Garde vor allem das einheitliche, puppenartige Aussehen aus. Deshalb ist es wichtig, dass die Frisur, das Make-up und das Kostüm bei allen Tänzerinnen identisch sind. In unserer großen Garderobe heißt es also nun Haare zu Zöpfen flechten, Kajalstrich ziehen und Rouge auftragen. Wenn es nach unserer Trainerin geht, darf es auch mal etwas mehr Farbe im Gesicht sein. Durch die hellen Scheinwerfer auf der Bühne wirkt man sonst nämlich schnell blass. Wenn Frisur und Schminke sitzen, darf dann das Kostüm angezogen werden. Neben Strumpfhose und Body gehört dazu auch noch ein Petticoat, ein Rock und eine Jacke. Zum Schluss müssen nur noch die Tanzschuhe geschnürt und der mit Federn verzierte Hut aufgesetzt werden.
19:11 Uhr Einmarsch bitte
Pünktlich um 19:11 Uhr, wie immer eine närrische Uhrzeit, beginnt ganz offiziell die Veranstaltung. Nachdem unser Vereinspräsident das Publikum begrüßt hat, ertönt die Musik für den großen Einmarsch und die Aktiven der Karnevalvereinigung halten Einzug. Unter dem Applaus der Gäste marschieren die Roten Funken, die Jugendgarde und alle weiteren Künstler auf die Bühne. Als Prinzenehrengarde begleiten wir das Dreigestirn, das aus dem Prinzen, dem Till und dem Bauern besteht. Danach startet das offizielle Bühnenprogramm.
20:45 Uhr Dehnen, dehnen, dehnen
Spätestens eine halbe Stunde vor unserem Auftritt machen wir uns auf den Weg von unserer Garderobe vor die Türen des großen Saals. Ein letztes Mal checkt unsere Trainerin unsere Kostüme: Haben alle den Hut auf der richtigen Seite geschnürt? Ist der Lippenstift nachgezogen und sind alle Schnürbänder in die Schuhe gesteckt? Dann geht es mit dem Aufwärmen los. Damit sich keine der Tänzerinnen eine Verletzung zuzieht, ist es besonders wichtig, alle Muskeln und Bänder vor dem Tanzen richtig zu dehnen. Zwischen den einzelnen Aufwärmübungen lauschen wir immer wieder gespannt in den Saal, damit wir unseren Einsatz ja nicht verpassen. Langsam steigt die Nervosität und alle werden immer ungeduldiger: Es soll endlich losgehen!
21:15 Uhr Bühne frei!
Dann ist es plötzlich soweit: Der Künstler vor uns wird mit großem Applaus verabschiedet und wir nehmen schnell unsere Aufstellung ein. Unsere Trainerin haucht uns allen noch ein „Toi, toi, toi!“ über die Schulter, bevor unsere Einmarschmusik ertönt und die Zuschauer gebeten werden, sich für unsere Begrüßung von ihren Plätzen zu erheben – jedes Mal ein absoluter Gänsehautmoment. Alle Scheinwerfer und Augen sind nun auf uns gerichtet und ich zeige mein breitestes Lächeln, während wir die Stufen zur Bühne im Gleichschritt erklimmen und uns in Position begeben. Ab jetzt ist der Kopf ausgeschaltet: Unser Tanz beginnt und ich bewege mich wie in einem Traum automatisch zur Musik. Jede Bewegung, jeder Sprung, jedes Rad ist wie eingebrannt in meinem Gedächtnis. Durch die hellen Scheinwerfer sehe ich das Publikum nicht mehr, in den Drehungen lächele ich aber dem Elferrat hinter uns zu, der beschwingt zur Musik wippt. Vier Minuten Choreographie vergehen plötzlich wie im Flug, ein letzter Radschlag, ein Sprung in den Spagat und ich reiße den Arm in die Luft – es ist geschafft!
All der Schmerz, das harte Training in den letzten Wochen, die blauen Flecken, die Aufregung und Anspannung sind schlagartig verflogen. Was bleibt, ist das Glücksgefühl und die Erleichterung einen fehlerfreien Auftritt gemeistert zu haben. Zufrieden genieße ich den Beifall des Publikums.
21:30 Uhr Karneval feiern
Natürlich ist der Abend nach unserem Auftritt noch lange nicht vorbei, aber jetzt kann ich ihn als Zuschauerin genießen. Ich bestaune die anderen Tanzgruppen, lache über die Witze der Büttenredner und schunkle zur Musik mit. Im Anschluss gibt es noch die große Prinzenparty, bei der bis in die frühen Morgenstunden ausgelassen getanzt und gefeiert wird. Am nächsten Tag wartet dann auch schon wieder der Schoduvel – jetzt heißt es jede Minute Karneval zu genießen, denn am Aschermittwoch ist alles wieder vorbei… bis zum nächsten Jahr.
Haben Sie nun auch Lust bekommen, eine der großen Prunksitzungen zu besuchen? Dann finden Sie hier eine Übersicht aller Karnevalstermine.
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