Wenn in der estnischen Stadt Viljandi am Donnerstag der 35. Internationale Hansetag beginnt, wird auch Braunschweig dabei sein. Warum? Ganz einfach: Auch wenn Braunschweig kein „H“ vor dem „BS“ am KfZ-Kennzeichen hat: Braunschweig war über Jahrhunderte eine bedeutende Hansestadt. Die Löwenstadt war sogar Gründungsmitglied des Hansebundes.
Doch was war das eigentlich, die Hanse? Die Hanse war ein Handelsbündnis, das bis zu seinem Ende 1669 sage und schreibe etwa 400 (!) Jahre lang enormen wirtschaftlichen und politischen Einfluss auf einen nicht unerheblichen Teil des heutigen Europas hatte. Bis zu 200 Städte gehörten der Hanse in ihrer Blütezeit an, Seestädte ebenso wie – siehe Braunschweig – Binnenstädte. Auf der Internetseite der HANSE, der Organisation, die die Tradition des Hansebundes pflegt, heißt es: „Diese Städte lagen in einem Gebiet, das heute sieben europäische Staaten umfasst: von der niederländischen Zuidersee im Westen bis zum baltischen Estland im Osten und vom schwedischen Visby im Norden bis zur Linie Köln-Erfurt-Breslau-Krakau im Süden.“ Demnach reichte ihr wirtschaftlicher Einflussbereich „im 16. Jahrhundert von Portugal bis Russland und von den skandinavischen Ländern bis nach Italien, […], ein Gebiet, das heute 20 europäische Staaten einschließt.“
Braunschweig stieg Ende des 15. Jahrhunderts als eine der größten Städte und bedeutendsten Handelszentren im norddeutschen Raum neben Magdeburg sogar zum Vorort, also zur führenden Stadt, des sächsischen Städtebundes innerhalb der Hanse auf, dessen Einfluss sich auf die Städte zwischen Weser und Elbe sowie von der Ilmenau bis zur Unstrut erstreckte.
Die Zugehörigkeit zur Hanse brachte Handel, Geld und Einfluss in die Löwenstadt. Auf den Marktplätzen (Altstadtmarkt, Aegidienmarkt, Kohlmarkt, Hagenmarkt) sowie in und an den Gewand- und Rathäusern der Weichbilde (so hießen die eigenständigen Teilstädte und Rechtsbereiche vor dem Zusammenschluss zu einer einzigen Stadt) wurde mit den verschiedensten Produkten gehandelt. Noch heute zeugt beispielsweise der Altstadtmarkt mit Gewandhaus, Marienbrunnen, Altstadtrathaus und Martini-Kirche von dieser Zeit. Das Gewandhaus diente unter anderem den Tuchmachern als Umschlagplatz für ihre edlen Stoffe.
Auch die „Braunschweiger Elle“ spielte eine Rolle: In einen Pfeiler am Altstadtrathaus eingelassen, kann man sie heute noch sehen. Das Längenmaß wurde mit seinen 57 Zentimetern als Messinstrument auf Märkten und Messen in der mittelalterlichen Löwenstadt eingesetzt, Handel und Handwerk benutzten sie unter anderem, um Stoffe abzumessen.
Neben dem Altstadtmarkt sind aber auch imposante Gebäude am Kohlmarkt mit ihren kunstvoll verzierten Portalen ein Zeichen für den Reichtum Braunschweigs zur Hansezeit. Abseits der zentralen Plätze in der Innenstadt steht noch heute das größte und imposanteste Fachwerkhaus der Stadt: die Alte Waage, die als Speicher- und Waagehaus diente.
Ein Braunschweiger Produkt brachte es damals zu einiger Berühmtheit. Die Doppelte Segelschiff-Mumme, ein je nach Brauart schwach bis stark alkoholhaltiges Malzbier, sorgte nicht nur für beschwipste Seefahrer, sondern schützte selbige auch vor Skorbut. Die Mumme wurde zeitweise in aller Herren Länder exportiert und wurde so weltweit bekannt. Übrigens: Noch heute gibt es die Braunschweiger Mumme, und zwar in den verschiedensten Variationen. Der heute alkoholfreie Malzextrakt kann zum Kochen und Backen verwendet werden. In der Touristinfo gibt es zudem unter anderem Produkte wie Mumme-Bier, Mumme-Senf, Mumme-Likör und seit kurzem auch eine mit Mumme verfeinerte Mettwurst namens „Mumme-Knuppel“.
Den Hansetag in Estland nimmt die Touristinfo übrigens zum Anlass, mit einem Aktionstag an die Beziehung Braunschweigs zur Hanse zu erinnern. Am Samstag, 6. Juni, können von 10 bis 16 Uhr verschiedene Spezialitäten verköstigt werden, neben dem Mumme-Knüppel und anderen Mumme-Leckereien wird es auch das neue Löwenstadt-Hanse-Gewürz geben. Das ist eine Pfeffer-Mischung, die die typischen Gewürze der Hansestadt vereint, kreiert von der Gewürzmanufaktur Temperos.
(Artikelbild: Am Altstadtmarkt sind noch Spuren der Hanse zu finden. Foto: Gerald Grote)
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