Die Reformation jährt sich in diesem Jahr zum 500. Mal. Da ist es nicht verwunderlich, dass zu diesem Jubiläum die Kirchen Braunschweigs als symbolträchtige Orte besonders im Fokus stehen. Wir zeigen Ihnen in einer losen Reihe Kirchen, die direkt oder indirekt mit der Reformation in Braunschweig zusammenhängen.
Was liegt näher, mit der Bugenhagen-Kirche zu beginnen – schließlich trägt sie den Namen des berühmtesten Reformator der Löwenstadt. Verabredet habe ich mich zu einem Interview mit dem Kirchenführer Helmut Rothert, um mehr über die Kirche und ihre Geschichte zu erfahren.
Ich habe keine Schwierigkeiten das rote Gebäude schon von weitem zu erkennen, zu der Wohngegend, in der sich die Kirche befindet, bildet sie einen ordentlichen Kontrast. Zugeben muss ich jedoch, dass ich mir die Kirche etwas anders vorgestellt habe: weniger schlicht und dafür verzierter oder zumindest mit einem größeren Eingang. Aber der minimalistische Baustil macht das äußere Erscheinungsbild der Bugenhagen-Kirche aus, ganz im Sinne der Reformation.
Zusammen mit meinem persönlichen Kirchenführer trete ich ein. Sofort fällt mir auf, dass auch das Innere der Kirche schlicht gehalten ist. Rothert trägt ein paar Zettel mit Aufzeichnungen mit sich und ist gut auf meine Fragen vorbereitet. Er beginnt mit einer kleinen Führung und erklärt, dass der Architekt August Pramann mit Beginn des Kirchenbaus 1935 noch einen ehrwürdigen Namensgeber suchte. 1935 wurde ein kleines Jubiläum gefeiert: Der 450. Geburtstag eines gewissen Dr. Johannes Pommeranus.
Wer ist Dr. Johannes Pommeranus?
Hinter Dr. Johannes Pommeranus versteckt sich kein geringerer als Johannes Bugenhagen. Der Name steht für „der aus Pommern“ – denn Bugenhagen wurde in Wollin, Pommern, im Jahre 1485 geboren. Für Luther war er ein enger Vertrauter, der nicht nur sein Beichtvater war, sondern auch die Ehe zwischen ihm und Katharina von Bora schloss, seine Kinder taufte und nach Luthers Tod auch die Grabrede hielt.
Von Luther in den Norden geschickt, entwickelte Bugenhagen als Reformator neue Kirchenordnungen unter anderem in Hamburg, Hildesheim und auch für Braunschweig. Die im Jahre 1528 verfasste Kirchenordnung gilt als Vorbild für die folgenden Ordnungen in ganz Norddeutschland und Skandinavien. Er legte darin die Grundlagen des christlichen Glaubens fest und prägte damit bis ins 17. Jahrhundert den evangelischen Glauben.
Dieses zeitliche Zusammentreffen war für den Architekten Pramann Grund genug, die Kirche nach Bugenhagen zu benennen. Nach einjähriger Bauzeit folgte 1936 die Einweihung.
Was erinnert an Bugenhagen in der gleichnamigen Kirche?
Mich interessiert natürlich, inwiefern Bugenhagen in der Kirche noch zugegen ist. Welche Objekte oder Gedenktäfeln wurden ihm gewidmet? Tatsächlich erinnert eine kleine Denkmaltafel vor dem Eintritt in die Kirche an den Namensgeber, erzählt mir Rothert. An dieser Stelle ist das Antlitz Bugenhagens abgebildet. Es ist eine Kopie des Reformationsdenkmals, das in Worms steht.
Detailgetreue Symbole finden sich an vielen Stellen der Kirche
„Und wissen Sie, woher der rote Anstrich der Kirche rührt?“ fragt mich Rothert. Diese Frage brannte mir auch schon unter den Nägeln, ist es doch eine sehr plakative und eher ungewöhnliche Farbe für ein Gotteshaus. Rothert erklärt, dass die Kirche anfangs weiß war. Doch mit dem Bau der Hochhäuser und der größer werdenden Wohnsiedlung war sie kaum noch von den restlichen Gebäuden zu unterscheiden. „Deshalb hat man sich entschieden, die Kirche auffällig rot zu streichen.“
Das Innere der Kirche sei früher auch anders gewesen, so Rothert. Er zeigt mir ein paar Bilder von früher. Statt des schlichten Holzkreuzes befindet sich heute ein großes Kruzifex über dem Altar. Der Bildhauer Jürgen Weber hat dieses 1988 entworfen.
Es fällt sofort auf, dass das Kruzifex, das auch als Ypsilon-Kreuz bezeichnet wird, Jesus Leiden sehr drastisch, gar brutal darstellt. Weber war nicht nur Bildhauer, sondern hat auch einige Semester Medizin studiert, sodass er sich mit der menschlichen Anatomie gut auskannte, was man an dem von ihm entworfenen Kreuz unschwer erkennt. „Weber ist mit Freunden in den Wald gegangen, hat einen Baum gesucht, und jemanden gebeten, sich dranzuhängen, um die Situation nachzustellen. Er wollte ein realistisches Jesusabbild.“
Beim genaueren Hinsehen verbergen sich aufwendig verzierte Ornamente, wie beispielsweise ein kleines Blatt neben Jesus Bein. Es ist ein Symbol für das Leben. Diese Detailgetreue fällt mir ebenfalls beim Altar und bei dem Ambo auf. Diese sind mit Nachbildungen eines Weinstocks und zwei Tauben verziert, die für Hoffnung, Fruchtbarkeit und Leben stehen.
Die Bugenhagen-Kirche ist in ihrer Architektur sehr schlicht gehalten. Doch gerade durch diese Einfachheit fallen die kunstvoll entworfenen Details am Altar, dem Ambo und dem Kruzifex noch einmal mehr auf und entfalten so ihre eindrucksvolle Wirkung auf mich. Auch wenn der Namensgeber Bugenhagen in der Kirche weniger präsent ist als gedacht, bin ich der Geschichte der Reformation ein Stück näher gekommen und habe interessante Details über die Entstehung der Bugenhagen-Kirche erfahren. Um Wissen bereichert verabschiede ich mich von Herrn Rothert und der roten Kirche.
Keine Kommentare