Im Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung (HZI) untersuchen Wissenschaftler die Mechanismen von Infektionskrankheiten und ihrer Abwehr. So auch die Inderin Sripriya Murthy. Sie ist seit 2012 in der Nachwuchsgruppe von Prof. Dr. Melanie Brinkmann und erforscht Herpesviren. Was sie dabei genau macht und wie sie sich in der Löwenstadt eingelebt hat, erfahre ich im Gespräch mit ihr.
Zunächst hat die junge Wissenschaftlerin in Indien ihren Bachelor in Mikrobiologie gemacht, für ihren Master ist sie 2010 nach Deutschland gekommen. Genauer gesagt in die Hauptstadt. Hatte sie anfangs noch Befürchtungen aufgrund des Wetters und der Sprache, haben sich diese aber schnell gelegt. Mehr noch, Sripriya liebt das deutsche Wetter. Ich kann es nicht glauben: diese graue, kalte, trübe, wenig frühlingshafte Suppe findet jemand gut? Aber es gibt ja auch sonnigere Tage und Sripriya findet es wirklich schön, dass sich hier in Deutschland so viel im Freien abspielt. In Indien ist es meist zu heiß, um die Sonne zu genießen. Dort geht man eher in klimatisierte Malls oder ins Kino, um der Hitze zu entfliehen. Und hier? Schnappt man sich im Sommer Handtuch, Sonnenbrille und Picknickkorb und legt sich in den nächstgelegenen Park. Und davon hat Braunschweig einige: „Hier gibt es so viel Grün! In der Stadt selbst, aber auch ein bisschen außerhalb wie beispielweise in Riddagshausen“, erzählt sie. Und ergänzt: „Das war auch mein erster Eindruck von Braunschweig, die Natur überall und diese tollen Altbauten und die historische Altstadt haben mich wirklich begeistert.“
Der Anfang in Niedersachsen gestaltete sich jedoch erst ein wenig holperig: Wie viele internationalen Studierende kam Sripriya zuerst nach Wolfenbüttel, weil sich dort die Studentenappartements für das HZI befinden. „Von meiner Heimatstadt Bangalore nach Berlin zu ziehen, war kein so großer Unterschied: beide Städte sind große internationale Metropolen. Aber Wolfenbüttel ist doch ein bisschen kleiner als Berlin oder Bangalore. Das war erstmal eine Umstellung“, erzählt Sripriya. Nach drei Monaten zog sie dann in ihre eigene Wohnung nach Braunschweig. Sie fühlt sich sehr wohl in der Löwenstadt und hat enge Freunde gefunden.
Nicht nur die Löwenstadt gefällt ihr, auch die Arbeit in der Forschergruppe Virale Immunmodulation von Prof. Dr. Melanie Brinkmann macht ihr Spaß. Wenn sie von ihrem Forschungsgebiet erzählt, leuchten ihre Augen: „Wir untersuchen Herpesviren, die Strategien entwickelt haben, der Erkennung und Bekämpfung der körpereigenen Abwehr zu entgehen. Die Viren manipulieren den Körper quasi so als wäre er gesund. Es ist ja auch in ihrem Interesse, dass dem Wirtskörper nichts passiert: Stirbt der Körper, stirbt schließlich auch das Virus. Man merkt also, wie intelligent dieses Virus ist, immer wieder passt es sich an und verändert sich – was es besonders spannend macht, es zu untersuchen.“ Sripriya Murthy erklärt mir, dass es zwei verschiedene Abwehrlinien zur Bekämpfung von Krankheitserregern gibt, die angeborene und die angepasste Immunantwort. „Wir möchten mit unserer Forschung den Mechanismus aufdecken, durch den die Herpesviren das angeborene Immunsystem manipulieren.“
Dass das Team um ihre Professorin auch sehr international ist – Amerikaner, Brasilianer, Australier, Deutsche – macht es für Sripriya einfacher. Die Hauptsprache in der Forschung ist Englisch, so halten die Wissenschaftler Präsentationen auf Englisch und auch im Labor wird Englisch gesprochen. Die Deutschen im Team achten allerdings auch darauf, auch außerhalb des Labors Englisch zu sprechen oder gegebenenfalls zu übersetzen, damit es die internationalen Wissenschaftler außerhalb des Büros einfacher haben. So fühlt sich die junge Inderin gut integriert – obwohl sie noch nicht so gut Deutsch spricht.
Die Integration ist wichtig, schließlich verbringt sie zwischen 12 und 14 Stunden im Institut. Manchmal auch mehr, denn wer mit lebenden Zellen arbeitet, kann sich nicht immer nach Bürozeiten richten. „Es ist so als hätte ich ein Baby, ohne jemals schwanger zu sein“, sagt sie lachend. Und ein Baby möchte auch manchmal am Wochenende versorgt werden.
Trotzdem findet sie genug Zeit für ihre große Leidenschaft: Bollywood-Dance. Einmal die Woche trainiert Sripriya in einer Gruppe, den Rest der Woche tanzt sie Zuhause. „Mein Nachbar hasst mich bestimmt deswegen“, sagt sie lachend. „An meiner Tanzgruppe finde ich besonders toll, wie sehr sich die anderen mit meiner Kultur auseinandersetzen. Sie lieben die Filme, das Tanzen – das ist ein Stück Heimat für mich“, so Srirpiya. Darüber hinaus organisiert die junge Forscherin auch die Diwali-Party am Institut. Das Lichterfest ist eines der bedeutendsten Feste der indischen Kultur. „Zwei Monate vor der Veranstaltung trainiere ich fast täglich zwei Stunden mit den anderen für unseren Auftritt. Es ist toll, dass ich Bollywood-Dance auch meinen Forscherkollegen zeigen und sie dafür begeistern kann.“
Wenn die Nachwuchsforscherin nicht gerade mit ihren Zellen arbeitet oder tanzt, fotografiert sie. Und entdeckt dabei immer wieder neue, schöne Plätze der Löwenstadt. „Aber mein Lieblingsplatz ist tatsächlich das Vapiano. Ich liebe dieses Restaurant! Ich bin Vegetarierin und mir ist es wichtig, dass nicht derselbe Löffel für Fleischgerichte wie für die vegetarischen Gerichte verwendet wird. Die offene Küche bei Vapiano lässt es zu, dass ich die Köche bei der Zubereitung beobachten kann. Und natürlich auch Wünsche äußern darf. Ich liebe zum Beispiel Knoblauch und Chili und mir kann es gar nicht scharf genug sein“, erzählt sie lachend. Auch die Apotheke, das Café Heimbs und das India Haus haben es ihr angetan.
Momentan schreibt Sripriya ihre Doktorarbeit, die sie bald verteidigen muss. Und danach? Vielleicht ruft die Hauptstadt sie wieder, wer weiß. In Deutschland möchte sie auf jeden Fall gerne bleiben, schließlich fühlt sie sich hier richtig wohl.
Beitragsbild: Sripriya (vorne, rotes Kleid) tanzt bei der Dwali-Party des HZI. Foto: Melissa Leao
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