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Otter müsste man sein!

Sie steht mir direkt gegenüber, fletscht die Zähne und blickt mich hungrig an. Nur fünf Meter Wald liegen zwischen uns. Die spitzen Zähne sagen ganz klar: Sie steht nicht auf Grünzeug, sie will Fleisch.

Otterdame Franzi ist gar nicht so gefährlich, wie sie aussieht. Foto: BSM

Otterdame Franzi ist gar nicht so gefährlich, wie sie aussieht. Foto: BSM

Zum Glück handelt es sich bei der hungrigen Furie nicht um ein blutrünstiges Ungeheuer, sondern um Baummarder-Dame Franzi, die kurz darauf das Interesse an mir verliert und sich dem Futter widmet, das eine Pflegerin gerade für sie verteilt. Ich bin zu Besuch im Otterzentrum Hankensbüttel und höre gespannt zu, was die Pflegerin während der Fütterung erzählt. Hätten Sie gewusst, dass Baummarder Eichhörnchen fressen? Zudem sind die Tiere nicht besonders gesellig. Franzi bewohnt ihr 300 Quadratmeter großes Gehege allein. Nicht ganz ohne Schuld: Nachdem sie ihrem Halbbruder Sepp ein Stück Ohr abgebissen hat, darf er sie nicht mehr besuchen.

Auf Grund der Artenvielfalt und der natürlichen Gestaltung des Geländes ist das Otterzentrum einmalig in Deutschland. Die Gehege sind dem Lebensraum der Tiere nachempfunden und nach oben hin offen – die Mitarbeiter müssen lediglich darauf achten, dass die vielen Bäume und Sträucher nicht zu nah an die Umzäunung reichen. Baummarder können bis zu zwei Meter weit springen und so ganz schnell auch einmal das Otterzentrum auf eigene Faust erkunden. Obwohl ich immer etwas skeptisch bin, was Tierparks, Aquarien und Zoos anbelangt, habe ich in Hankensbüttel den Eindruck, dass die Tiere genügend Auslauf bekommen.

Franzi und Sepp sind nun mit Futter versorgt und für mich geht es zur nächsten Station. Jede Viertelstunde findet in einem der zwölf Gehege eine Fütterung statt. Ich kann nur empfehlen, das Otterzentrum nicht sofort im Alleingang zu erkunden, sondern an einer Führung teilzunehmen. Der Einstieg ist jederzeit möglich und so sieht man alle Tiere, wie sie fressen, rumflitzen und sich gegenseitig beobachten. Außerdem erzählen die Pfleger viel Wissenswertes rund um die Tiere.

Bevor wir bei den Mardern zu Besuch sind, stellen die Pfleger uns die Otterhunde vor. Damit ist nicht etwa eine merkwürdige Kreuzung zwischen Hund und Otter gemeint, es handelt sich viel mehr um eine Hunderasse, die extra für die Otterjagd gezüchtet wurde. Die Tiere haben lange Beine (um auch durch Wasser waten zu können), wasserabweisendes Fell, große Pfoten (um nicht im Schlamm stecken zu bleiben) und sie bellen sehr laut, so dass der Jäger sie schon von weitem hören kann. Die Otterjagd war eine reine Spaßjagd, darf aber glücklicherweise, seit die Fischotter 1976 in Deutschland unter Naturschutz gestellt wurden, nicht mehr praktiziert werden. Entsprechend ging auch die Nachfrage an Otterhunden zurück, sodass die drei Vertreter ihrer Rasse, die in Hankensbüttel leben, deutschlandweit zu den letzten 70 ihrer Art gehören.

Durch Glasscheiben beobachten wir, wie die Otter durch das Wasser toben

Durch die Glasscheiben beobachten wir, wie die Otter durch das Wasser toben. Foto: BSM

Ich befinde mich nun auf dem Weg zu Edgar, Paul und dem kleinen Muck. Die drei Fischotter wohnen an einem Wasserfall. Und ich stelle fest: Otter müsste man sein! Die setzen nämlich keinen Hüftspeck an, da das für die schnelle Fortbewegung im Wasser hinderlich wäre. Und das, obwohl sie jeden Tag ein Kilo Fisch essen. Der Otter ist außerdem das Tier mit dem dichtesten Fell. Während ein Mensch pro Quadratzentimeter nur 120 Haare hat, sind es beim Fischotter 50.000 bis 75.000. Zwischen den Otterhaaren bilden sich Luftkammern, sodass kein Wasser die Haut erreicht und der Körper perfekt gegen die Kälte isoliert ist.

Durch zwei große Fenster unter der Wasseroberfläche beobachte ich, wie sie durch das Wasser toben und sich dabei immer wieder um ihre eigene Achse drehen. Es gibt im Otterzentrum viele Möglichkeiten, die Tiere selbst dann zu sehen, wenn sie sich in der Erde oder im Wasser verstecken. Oft führen Treppen unter die Gehege und man kann beobachten, wie sich die Tiere durch unterirdische Gänge bewegen oder in ihren warmen Nestern schlafen.

Die Hermeline sind die kleinsten Bewohner des Otterzentrums.

Die Hermeline sind die kleinsten Bewohner des Otterzentrums. Foto: BSM

Die Führung geht weiter zu meinem persönlichen Highlight des Ausflugs: den Hermelinen. Die besten Plätze am Rand des Geheges sind bereits weg und ich muss mich auf Zehenspitzen stellen und recke neugierig den Kopf in die Höhe, um etwas sehen zu können. Die Hermeline sind mit einer Körperlänge von etwa 20 Zentimetern die kleinsten Bewohner des Parks. Sie sind im Winter schneeweiß und haben eine schwarze Schwanzspitze. Die Kleinen leben unter Holzstapeln und können bis zu 35 km/h schnell rennen. Und auch hier könnten Frauen wieder neidisch werden, weil man Hermelinen eine Schwangerschaft erst zwei Stunden vor der Geburt ansieht. Vorher wäre ein dicker Bauch bei der Mausjagd hinderlich.

Leider sind die Hermeline heute nicht so richtig hungrig und wollen sich nicht zeigen. Bevor ich aber enttäuscht darüber sein kann, dass sich meine persönlichen Stars des Ausflugs zieren, huscht ein kleiner weißer Blitz von einem Holzstapel zum nächsten. Endlich! Die anderen Besucher sind schon auf dem Weg zur nächsten Fütterung, ich aber möchte unbedingt noch ein Foto von dem Hermelin – und das bekomme ich auch.

In Marderhausen dürfen Steinmarder nach Lust und Laune an Balken und Kabeln knabbern. Foto: BSM

Willkommen in Marderhausen. Foto: BSM

Schnell schließe ich mich wieder der Besuchergruppe an. Wir verlassen nun Hankensbüttel und stehen in Marderhausen. Mit viel Liebe zum Detail wurden für die hier lebenden Steinmarder zwei Scheunen inklusive Dachboden und einem alten Auto eingerichtet, in denen sie nach Herzenslust an Kabeln und Holzbalken knabbern können. Wir erfahren, was sich machen lässt, wenn ein Marder als ungewollter Untermieter den Dachboden bewohnt oder ständig Schaden am Auto anrichtet. Aber ich will ja nicht alles verraten. Jeder Marder-Geplagte kann sich im Otterzentrum umfassend beraten lassen, die Mitarbeiter stehen gern mit Rat und Tat zur Seite.

Insgesamt habe ich neun Tierfütterungen beigewohnt. Alle waren interessant und sehenswert. Obwohl die Sonne sich immer mal wieder zeigt, werden mir langsam die Füße kalt und wir treten den Rückweg an. Vorbei geht es an der Dachshecke und zahlreichen Entdecker-Stationen, die gerade für Kinder den Besuch im Otterzentrum sehr abwechslungsreich gestalten dürften. Insgesamt drei Kilometer Wegenetz führen durch das 60.000 Quadratmeter große Freigelände.

Im Souvenir-Shop unterhalte ich mich mit einer Mitarbeiterin. Ich bin erstaunt, wie viele Menschen trotz der frischen Temperaturen im Otterzentrum unterwegs sind, sie ist von der Besucherzahl weniger beeindruckt. Der Tag heute ist wohl lange nicht vergleichbar mit dem, was ab Frühling erfahrungsgemäß im Otterzentrum los sein wird. Ein Besuch vor der Hauptsaison ist also ein kleiner Geheimtipp für alle, die es gern etwas ruhiger mögen. Ich werde im Sommer trotzdem noch einmal vorbei kommen, um das Otterzentrum im Grünen zu sehen. Und natürlich, um die Hermeline noch einmal zu besuchen, die bis dahin ihr schneeweißes Winter-Outfit gegen ein luftigeres braun-weißes Fell eingetauscht haben.

Information

OTTER-ZENTRUM
Sudendorfallee 1
29386 Hankensbüttel
Tel.: 05832 98 08 0

Öffnungszeiten:
1. Februar – 29. März: 9:30 – 17:00 Uhr
30. März – 25. Oktober: 9:30 – 18:00 Uhr
26. Oktober – 30. November: 9:30 – 17:00 Uhr

Eintrittspreise siehe Homepage.

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