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Immer der Nase nach

Wir sind auf der Suche nach Julia. Sie wird seit einiger Zeit vermisst und wurde zuletzt in einer Seitenstraße am Rande eines Parks in Broitzem gesehen. Regen und Dunkelheit erschweren die Ermittlung. Zum Glück ist Watson trotzdem hoch konzentriert. Die Nase auf den Boden gerichtet, läuft er zielstrebig die Straße entlang. Plötzlich hebt er den Kopf, stürmt los – und bleibt schließlich direkt vor Julia sitzen.

Watson folgt zielstrebig der Spur der gesuchten Person. Foto: Dr. Dieter Sibold

Julia ist zum Glück wohlauf. Schließlich hat sie sich freiwillig hinter dem Busch in einem verwinkelten Wohngebiet versteckt und war nicht wirklich verschwunden. Jetzt knuddelt und streichelt sie Watson ausgiebig und belohnt ihn mit überschwänglichem Lob und Leckereien dafür, dass er sie gefunden hat. Watson ist ein 22 Monate alter Bayrischer Gebirgsschweißhund und befindet sich in der Ausbildung zum Personenspürhund bei der Malteser Rettungshundestaffel Braunschweig.

Rettungshunde und ihre Hundeführer trainieren gemeinsam zehn Stunden die Woche, um im Ernstfall vermisste Menschen schnell und effizient aus Notsituationen retten zu können. Bei regelmäßigen Prüfungen müssen sie dafür ihre Fähigkeiten unter Beweis stellen. In Braunschweig werden zwei Arten von Rettungshunden ausgebildet: Zum einen die Flächen- und Trümmersuchhunde, die ein Areal von 50.000 bis 100.000m² absuchen können und durch lautes Bellen jeden Menschen anzeigen, der ihnen begegnet. Und zum anderen die Personenspürhunde, zu denen Watson gehört. Sie werden gezielt in Städten bei der Suche nach bestimmten Personen eingesetzt und können diese anhand ihrer Geruchsspur bis zu zwölf Kilometer weit verfolgen. Personenspürhunde, auch Mantrailer genannt, werden im Gegensatz zu den Flächen- und Trümmersuchhunden an der Leine geführt und setzen sich, sobald sie die Zielperson gefunden haben, ganz einfach vor sie hin.

Zur Rettungshundestaffel gehören derzeit acht geprüfte Teams an Flächensuchhunden. Da auch die Ausbildung für Personenspürhunde zwei bis drei Jahre dauert und erst vor etwa eineinhalb Jahren mit dem Programm angefangen wurde, gibt es in diesem Bereich noch kein fertig ausgebildetes Team.

Watson ist aber auf dem besten Weg, später einmal als ausgebildeter Mantrailer zum Einsatz zu kommen. Bis dahin muss er sicherlich noch viel üben, auch wenn ich bereits jetzt von seinen Fähigkeiten beeindruckt bin. Doch spulen wir noch einmal auf Anfang.

Seht ihr, wo sich Julia versteckt ? Foto: Braunschweig Stadtmarketing GmbH

Ich bin an einem Montagabend zu Besuch bei einer Übungsstunde der Rettungshundestaffel des Malteser Hilfsdienstes in Braunschweig. Diese besteht aus 17 Personen und 19 Hunden, zum heutigen Training sind fünf Teams anwesend. Karl Kumlehn, Leiter der Rettungshundestaffel erklärt der später „vermissten“ Julia einen Weg, den sie entlanggehen soll, um sich für Watson zu verstecken. Währenddessen fährt sie sich mit einem Papiertaschentuch über Hals und Nacken. Mit Hilfe dieses Taschentuches wird Watson später ihre Fährte aufnehmen. Nachdem Julia ihre Anweisungen entgegen genommen hat und in der Dunkelheit verschwunden ist, wird Watson aus dem Auto geholt und einmal über den Platz geführt, an dem Julia zuletzt gesehen wurde. Damit er weiß, dass er ab sofort im Einsatz ist, legt ihm Hundeführerin Katharina sein Geschirr und eine Kenndecke an. Sie lässt Watson an dem Taschentuch schnuppern und schon geht es los: Kopf auf den Boden und immer der Nase nach. Watson prüft an jeder Kreuzung alle möglichen Wege, bis er sich für einen entscheidet. Auch wenn der Wind Julias Geruchspartikel in unterschiedliche Richtungen weiter trägt, ist Watson konzentriert bei der Sache und entscheidet sich letztendlich immer für den richtigen Weg. Wir passieren einige weitere Kreuzungen und mich wundert es langsam, wie Watson überhaupt die Orientierung behält. Kann es nicht passieren, dass er auch einmal Julias Spur in die falsche Richtung verfolgt und wieder am Startpunkt der Suche landet? Karl Kumlehn erklärt mir, dass Hunde frische von alten Geruchspartikeln unterscheiden können und daran die Richtung erkennen, in die sie laufen müssen.

Katharinas Schnürsenkel hat sich geöffnet und sie muss kurz anhalten. Mit dem Wort „Pause“ bringt sie Watson zum Stehen und schnallt die Leine von dem Geschirr auf sein Halsband um. Jetzt weiß Watson, dass er seine Schnüffelei kurz unterbrechen muss. Wenige Sekunden später geht es weiter und es dauert auch nicht mehr lange, bis Watson bei Julias Versteck angelangt ist. Nach der erfolgreichen Rettungsmission nimmt Katharina Watson Geschirr und Decke wieder ab und wir laufen „in zivil“ zurück zum Auto.

Dank ihrer Ausbildung zum Einsatzsanitäter, können die Hundeführer direkt vor Ort Erste Hilfe leisten. Foto: Dr. Anne Wöhlke

Obwohl das Training mit Rettungshunden eine sehr zeitaufwendige Freizeitbeschäftigung ist und weit über die pure Auslastung des Hundes hinausgeht, ist die Rettungshundestaffel der Malteser derzeit gut besetzt. Wer gemeinsam mit seinem Hund Mitglied der Staffel werden will, muss in einer halbjährigen Probezeit unter Beweis stellen, dass er für die Ausbildung geeignet ist. Dabei kommt es nicht nur auf den Hund an, der in erster Linie ein freundliches Wesen und Spaß an der Suche mitbringen sollte. Auch den Hundeführern wird einiges abverlangt. Sie müssen neben dem praktischen Training auch theoretische Grundlagen erlernen und werden zudem als Einsatzsanitäter ausgebildet.

Wer Lust bekommen hat, die Malteser bei ihrer Arbeit mit den Hunden zu unterstützen, kann sich auch als „Vermisster“ für die Übungseinsätze melden. Da die Mitglieder der Rettungshundestaffel ehrenamtlich arbeiten, freuen sie sich darüber hinaus über jede Spende, um die bei Einsätzen und im Training entstehenden Kosten zu decken. Außerdem sparen sie derzeit auf ein neues Einsatzfahrzeug, das ihren 25 Jahre alten Wagen ersetzen kann.

(Titelbild: Dr. Anne Wöhlke)

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