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Clownsvisite

Da sitzen die beiden Clowns und trällern ein fröhliches Lied.

In solche Situationen gerät man eher selten: Ich stehe im Flur des Klinikums Holwedestraße und beobachte zwei Clowns dabei, wie sie gerade versuchen, auf ein Fensterbrett zu klettern. Ein wenig nervös blicke ich von links nach rechts. Hoffentlich sieht uns hier keiner, sonst gibt’s bestimmt Ärger. Plötzlich beginnen sie lauthals zu singen und auf einer Ukulele zu spielen. Darf man das denn? So ein Theater veranstalten im Krankenhaus? Jetzt kommt auch noch einer der Ärzte den Gang entlanggelaufen. Oh je. Doch statt eine Standpauke zu halten, lächelt der Arzt und grüßt die beiden freundlich als wäre es das Normalste der Welt, dass in dem sonst so ruhigen Krankenhaus zwei bunt gekleidete Clowns auf den Fensterbänken herumturnen. Warum das so ist? Ganz einfach, die beiden sind Klinikclowns und extra vorbei gekommen, um an der Holwedestraße ein wenig Ramba Zamba zu veranstalten.

Die Klinikclowns sind Tania Klinger und Ute von Koerber. Im Gespräch erlebe ich die beiden als zwei aufgeschlossene, freundliche Frauen, die mit Begeisterung von ihrer Arbeit erzählen. Bereits seit 25 Jahren treten sie gemeinsam als Theater-Duo „Feuer und Flamme“ auf, seit fast elf Jahren sind sie die Klinikclowns der Holwedestraße. Doch wie wird man eigentlich Klinikclown? „Angefangen hat es in Salzgitter“, erzählt mir Tania Klinger. „Das Klinikum war eines von drei Standorten, an denen eine Gruppe aus Hamburg ein Pilotprojekt mit Klinikclowns starten wollte. Deren künstlerischer Leiter kannte uns von Clownsworkshops und Weiterbildungen und fragte uns daher, ob wir nicht als Klinikclowns arbeiten möchten.“ Bereits ein Jahr waren sie in Salzgitter tätig, als der Verein Weggefährten aus Braunschweig über einen Zeitungsartikel auf sie aufmerksam wurde. Die Weggefährten sind ein Elternverein tumorkranker Kinder, der betroffene Familien unterstützt, Herzenswünsche erfüllt und eben für ein wenig Abwechslung im Klinik-Alltag viermal im Monat die beiden Clowns in das Klinikum holt.

Die Clowns besuchen die Kinder in ihren Krankenzimmern und sorgen für gute Stimmung. Insgesamt gibt es derzeit vier Klinikclowns, die abwechselnd im Klinikum vorbei schauen. Besonderen Wert legen sie darauf, einen Kontakt zu den Kindern herzustellen und sie in ihr Spiel einzubinden. Dabei ist schon die eine oder andere Clownsfreundschaft entstanden. „Es ist besonders schön zu sehen, wenn die Behandlung erfolgreich verläuft und ein Kind wieder zu seiner alten Kraft findet“, erklärt Ute von Koerber. Andererseits gibt es natürlich auch Kinder, die auf die Station kommen und deren Gesundheitszustand sich immer weiter verschlechtert. Die Klinikclowns müssen deswegen Fingerspitzengefühl beweisen, um einschätzen zu können, wie sie mit dem jeweiligen Kind umgehen müssen. Dabei hilft ein Vorgespräch mit einer Schwester vor jedem Besuch auf der Station. Danach ziehen sie sich um und schminken sich und von einem Moment auf den anderen werden aus den zwei höflichen Damen zwei freche und herumturnende Clowns.

Dann sind Tania und Ute plötzlich Feodora und Vitamine und ziehen einiges an Aufmerksamkeit auf sich. Nachdem sie ihren Hochsitz auf dem Fensterbrett verlassen haben, geht es in Richtung Station. Auf dem Weg dahin, zaubern sie noch ein Blümchen hinter meinem Ohr hervor und begrüßen jeden lautstark, der ihnen über den Weg läuft. Die Ärzte und Schwestern, die uns begegnen, lächeln und lassen sich gern auf das Spiel ein. Ein Arzt hat sogar schon einen Zaubertrick von den beiden gelernt, mit dem er nun selbst seine jungen Patienten beeindrucken kann. Die Kinder bekommen ganz große Augen und sind sichtlich neugierig, als die Clowns mit ihren beiden Koffern und Instrumenten um die Ecke biegen. Ein Kind ist ganz begeistert und läuft sofort auf sie zu, ein anderes ist etwas scheu und versteckt sich hinter Mamas Bein. Eine junge Frau kommt vorbei, sichtlich mitgenommen und wenig an dem Treiben der beiden Clowns interessiert. Als Vitamine ihr dann aber ein kleines Krönchen hinter dem Ohr hervorzaubert, muss auch sie lächeln und sieht gleich ein wenig fröhlicher aus.

Zwei Stunden dauert die „Clownsvisite“ im Klinikum Holwedestraße, bei der die beiden jedes Zimmer auf der Station besuchen. „Oft sind auch Familie oder Freunde dabei und zwei bis drei Kinder. Nach einer kurzen Eingewöhnungszeit fragen wir, ob unser Besuch denn überhaupt gewollt ist. Dann spielen wir und improvisieren mit dem, was gerade im Raum passiert. Wenn jemand ein Buch vorliest, steigen wir darüber ein“, so Tania Klinger. Pro Zimmer haben die Clowns etwa 15 Minuten Zeit, mit den Kindern zu spielen, sie aufzuheitern und für ein wenig Unterhaltung zu sorgen. „Uns ist wichtig, dass wir mit den Kindern ins Gespräch kommen und sie auf spielerische Weise aus der Situation holen, in der sie sich gerade befinden. Manchmal ist es ganz still, und wir machen leise Sachen. Oder es ist sowieso schon laut, weil viel Besuch da ist. Dann machen wir ganz laut Musik mit dem Akkordeon und der Ukulele und singen dazu. Im nächsten Zimmer sind dann vielleicht ganz kleine oder ausländische Kinder, mit denen wir über eine ausgedachte Spielsprache kommunizieren.“ Wenn ein Kind nur zuschauen möchte, spielen sie ihm auch gern einfach etwas vor. Da die beiden hinter jeder Zimmertür eine neue Situation erwartet, gibt es auch keinen festgelegten Ablaufplan oder vorgefertigte Sketche. Zwar haben Vitamine und Feodora ein großes Repertoire an Tricks und Programmen auf Lager, sind aber so gut aufeinander eingestellt, dass sie einfach improvisieren. Dabei reichen kurze Blicke zwischen den beiden zur Verständigung.

Die Kinder sollen bei den Besuchen der Clowns nicht unbedingt vor Lachen aus dem Bett fallen. Es ist dieses kleine Schmunzeln, ein Glitzern in den Augen und heitere Stimmung, die die Clowns bei den kleinen Patienten und auch bei den Mitarbeitern hervorzaubern wollen.

Um als Klinikclown zu arbeiten, reicht es nicht, sich eine rote Nase zu schminken und geringelte Strümpfe anzuziehen. In erster Linie bedarf es Einfühlungsvermögen, Sensibilität und Improvisationstalent. „Ich glaube auch, dass man eine gewisse Reife braucht, um diesen Beruf auszuüben sowie Erfahrung und Authentizität“, so Ute von Koerber. „Man muss spüren, welches Verhalten in welcher Situation richtig ist und darf sich selbst nicht zu wichtig nehmen.“ Beide können auf eine langjährige Berufserfahrung zurückblicken, besuchen aber auch regelmäßig Workshops und arbeiten dadurch auch ständig an sich und ihrem Auftreten.

Ich hatte auf jeden Fall viel Spaß daran, die beiden Clowns im Klinikum zu begleiten. Das kleine Blümchen, das sich hinter meinem Ohr versteckt hatte, liegt nun neben meiner Tastatur und erinnert mich daran, dass man auch in den schwierigsten Situationen seine gute Laune nicht verlieren darf.

Informationen

Theater Feuer und Flamme
Frith-Giesel-Straße 4
38126 Braunschweig
theater@feuerundflamme.de
www.feuerundflamme.de

 

(Alle Fotos: Braunschweig Stadtmarketing GmbH)

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