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Wenn Bürger singen

„Hejo, spann den Wagen an …“, schallt es dreistimmig über den Magnikirchplatz. Ich bin heute zu Gast beim Bürgersingen, das von Mai bis September jeden Mittwoch um 17:15 Uhr je nach Wetterlage vor oder in der Magnikirche stattfindet. Zugegeben, von allein wäre ich nicht auf die Idee gekommen, diese Veranstaltung zu besuchen. Ich bin eher die Unter-der-Dusche- oder Allein-im-Auto-Sängerin: außer Hörweite anderer Personen, dafür aber immer laut, grundsätzlich schief und in den meisten Fällen auch nicht sonderlich textsicher.

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Etwa 200 Menschen sind auf dem Magnikirchplatz gekommen, um gemeinsam zu singen. Foto: BSM

Eine Viertelstunde vor dem offiziellen Beginn stehe ich an der Kirche, vor der bereits reges Treiben herrscht. Etwa 200 Braunschweigerinnen und Braunschweiger kommen hier jeden Mittwoch zusammen, erzählt mir Manfred List, Projektkoordinator der Bürgerstiftung Braunschweig. Für sie werden Bänke aus der Kirche aufgestellt, einige haben sogar ihre eigenen Campingstühle dabei. Alte Hasen vermutlich, die wissen, wie beliebt das Bürgersingen ist. Manfred List moderiert die Veranstaltung an und begrüßt die Sängerinnen des Frauenchors Frohsinn Querum. Jeder der Termine wird von einem anderen Braunschweiger Chor begleitet.

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Den Ton gibt der Querumer Frauenchorn „Frohsinn“ an. Foto: BSM

Dann geht es auch schon los. Zuerst singt der Chor ein Lied allein, die nächsten Lieder singen die Braunschweigerinnen und Braunschweiger alle zusammen. Auf dem Spielplan für die nächsten 45 Minuten stehen ausschließlich Volkslieder. Während ein fröhliches „Simsalabim bamba Saladu Saladim“ über den Platz schallt, schaue ich mir die Menschen um mich herum ein wenig genauer an. Da sind zum einen die Männer und Frauen auf den vorderen Reihen und den Campingstühlen. Alle mit Feuereifer bei der Sache, textsicher und heute sicherlich nicht zum ersten Mal hier. In den hinteren Reihen sitzen viele, die etwas zurückhaltender sind. Die Stimme nicht ganz so laut erhoben, die Augen zumeist nach unten auf das Gesangsbuch gerichtet. Dahinter steht, mit ein, zwei Metern Abstand, die Fraktion Hände-in-den-Hosentaschen. Ein paar jüngere Leute, die sich anscheinend für das Geschehen auf dem Platz interessieren und daran gern teilhaben möchten, sich aber nicht sicher sind, ob das Ganze nun cool genug ist oder nicht. Ich sehe kleine Kinder, die ihre Eltern hinter sich her auf den Platz ziehen, und Fahrradfahrer, die beim Vorbeifahren lautstark ein paar Zeilen mitträllern.

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Wer nicht ganz textsicher ist, kann sich zu Beginn ein Liederbuch ausleihen. Foto: BSM

Ungewöhnlich ist, glaube ich, das richtige Wort, um diese Veranstaltung zu beschreiben. Aber im positiven Sinne. Gute Laune liegt in der Luft und zieht von den Stimmen der Sängerinnen und Sänger getragen durch die Gassen des Magniviertels. Jetzt ertappe ich mich sogar dabei, wie ich, wenn auch nur ganz leise, bei „Alle Vögel sind schon da“ mit einstimme. Wippenden Schrittes und vor mich hin summend verlasse ich am Ende das Bürgersingen. Manchmal lohnt es sich doch, die eigene Komfort-Zone zu verlassen und neue oder ungewöhnliche Dinge auszuprobieren.

Alle Informationen zum Bürgersingen stehen auch auf der Seite der Bürgerstiftung Braunschweig.

(Titelbild: BSM)

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