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Wenn aus Trauma Kunst wird

Ich schreibe Tagebuch, um Emotionen, Ereignisse und Menschen, die mich bewegen, für später festzuhalten. Mehrere Bände habe ich mittlerweile voll, schreibintensive Phasen wechseln sich mit langen Pausen ab. Dass andere Personen außer mir daran Freude haben werden, wage ich zu bezweifeln. Eine Sonderausstellung im Städtischen Museum zeigt im Haus am Löwenwall, wie das auch anders sein kann. Wenn man sich die Werke des Braunschweiger Künstlers Peter Voigt anschaut, hat man das Gefühl, einen Teil seines Tagebuchs zu lesen: Sein Blick auf die Welt, Einblicke in seine Arbeitsweise und sein Können, Selbstporträts. Doch welche Person steckt dahinter?

Peter Voigt erblickt am 19. Februar 1925 in Braunschweig in einem kulturell offenen Elternhaus das Licht der Welt. Als der Zweite Weltkrieg hereinbricht, werden er und sein Zwillingsbruder als Soldaten eingezogen. Sein Bruder kehrt nicht mehr heim.

"Spiegelbild" hat Peter Voigt 1959 in Öl auf Leinwand fertig gestellt. Foto: Monika Heidemann

„Spiegelbild“ hat Peter Voigt 1959 in Öl auf Leinwand fertig gestellt. Foto: Monika Heidemann

Der Verlust seines Zwillingsbruders und Voigts Trauma aus Kriegstagen und -gefangenschaft, aber auch das Wissen um den Holocaust  prägen zeitlebens seinen künstlerischen Output. In der Ausstellung sieht man diese Beziehung mehr oder minder konkret. Als ich vor den Bildern stehe, entdecke ich Trauer und ein Gefühl von Sprachlosigkeit. Traurige, gesichtslose Menschen, nicht miteinander verbunden, und eingerastete Kästen drücken aus: Jeder ist allein.

Nach seiner Kriegsrückkehr, widmet sich Voigt in Hamburg und Berlin dem Studium der Grafik und Malerei, heiratet und bekommt zwei Töchter. Nach Auslandsaufenthalten in Frankreich, Schweden und Italien, lehrt Voigt ab 1956 zunächst an der Werkschule Braunschweig, die ab 1963 zur Hochschule für Bildende Künste organisiert wird. An der HBK wird Voigt Professor für Freie Malerei, von 1967 bis 1972  sogar Rektor.

Während der zweite Raum der Ausstellung seiner freien Arbeit als Künstler gewidmet ist, befinden sich im ersten Auftragswerke, darunter Porträts und „Braunschweig von Westen“ in Öl (1962). Die Präsenz dieses Bildes ist etwas Besonderes, denn normalerweise hängt es im Zimmer des Oberbürgermeisters. Eine Spur von Voigt könnte übrigens Besuchern des Heidbergbads aufgefallen sein. Eine Wandgestaltung von Voigt (1973) ist dort heute noch zu sehen.

1957 erhält Voigt den Rudolf-Wilke-Preis der Stadt Braunschweig, es folgen ein Gaststipendium 1980 in Rom und das Niedersächsische Künstlerstipendium 1989 kurz vor seinem Tod. Peter Voigt stirbt am 13. September 1990 in Braunschweig.

Anlass für die Ausstellung sind Voigts 90. Geburtstag, sein 25. Todestag und eine diesjährige Schenkung der Witwe, die dem Städtischen Museum drei Bilder dauerhaft überlässt. Die Familie des Braunschweiger Künstlers wählt bewusst den Weg, Stücke an Sammlungen weiterzugeben, um der Zerstreuung des nicht in Massen produzierten Gesamtwerks in Privathaushalten vorzubeugen. So kann auch weiterhin die Öffentlichkeit an der Kunst Voigts teilhaben.

In der Ausstellung entdecke ich viele Ölbilder, aber auch zahlreiche Grafiken, die sein Können als Techniker und Buchillustrator veranschaulichen. Voigt wird im Nachhinein als freundlicher und zurückgezogener Mensch beschrieben, der nicht danach strebte, sich als Künstlerperson zu inszenieren. Er schaffte ein Werk, gab ihm einen Titel, der zur Assoziation anregen sollte, und überließ es schließlich dem Betrachter. Vielschichtige und lohnenswerte Ausstellung!

"Denkmal" von Peter Voigt in Öl auf Kapok-Platte ist in den 1970er Jahren entstanden. Foto: Dirk Scherer

„Denkmal“ von Peter Voigt, Öl auf Kapok-Platte, entstanden in den 1970er Jahren. Foto: Dirk Scherer

Information

„Peter Voigt (1925 – 1990) – Malerei und Graphik“
2. Juli bis 13. September 2015

Städtisches Museum
Haus am Löwenwall
Steintorwall 14
38100 Braunschweig

Öffnungszeiten:
Di-So 10 – 17 Uhr
Eintritt frei

Führungen:
Samstag, 18. Juli, 15 Uhr mit dem Kurator der Ausstellung, Dr. Andreas Büttner
Samstag, 22. August, 16 Uhr mit der Museumsführerin Dr. Christina Axmann
Samstag, 5. September, 15 Uhr mit dem Kurator der Ausstellung, Dr. Andreas Büttner
Kosten jeweils 3 € (ermäßigt 1,50 €).

Kreativ-Werkstatt für Kinder von sechs bis zwölf Jahren:
Signaturen – Die Unterschriften der Künstler Sonntag, 26. Juli , 14 Uhr
Materialkosten 5 €

(Titelbild: „Braunschweig von Westen“ (1962) von Peter Voigt, Öl auf Leinwand, Städtisches Museum. Foto: Monika Heidemann)

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