Diese Geschichte handelt von zwei Personen unterschiedlichen Alters. Die eine handelt vom 25-jährigen Nico Frank Berweke, Karussellbesitzer am Braunschweiger Weihnachtsmarkt. Die andere vom Kind Nico Berweke, das sein bisheriges Leben in diesem Karussell verbrachte. Eins nach dem anderen oder in diesem Fall eher das andere vor dem einen.
Der Braunschweiger Junge Nico Berweke wird in eine Braunschweiger Schaustellerfamilie hineingeboren und wie das dann eben so ist als Schausteller, wird sein Geburtsort Goslar, die Familie war mal wieder unterwegs. Braunschweig bleibt dennoch das Zentrum der Familie. Im Umkreis von 100 Kilometern zwischen Harz und Hannover tingeln die Berwekes von Fest zu Fest, zur Schule nach Braunschweig werden die Kinder „egal von wo“ von der Mutter hingefahren. „Seit der ersten Klasse war für mich klar, ich werde auch Schausteller. Das wird einem in die Wiege gelegt und wenn man so aufwächst, will man auch so weitermachen.“
Als kleiner Junge sitzt er oft im Auto, ein Fahrzeug gefällt ihm dabei besonders. Es ist ein Oldtimer, fährt und fährt und kommt doch nicht vom Fleck. Es ist eines der Autos, die zum Kinderkarussell seines Großvaters Karl-Heinz Slawik gehören. Unzählige Runden dreht Nico am Steuer „seines“ Opels unter dem leuchtenden Himmel voller bunter Lichter, immer in Bewegung. Früh hilft er mit beim Auf- und Abbau der Geschäfte, jeder in der Familie packt mit an, es gibt genug zu tun. Im Teenageralter sitzt er im Kassenhäuschen, verkauft Fahrkartenchips und darf das Karussell ab und zu unter Aufsicht auch steuern. Die pinken Fahrkartenchips mit dem alten Namen von damals, die bis 2015 verkauft wurden, haben bis heute Gültigkeit. Darauf legt der neue Besitzer des Karussells großen Wert. Sein Name ist Nico Berweke. Das Bewerbungsgespräch zur Übernahme des Geschäfts ist effizient gestaltet. „Möchtest du das machen? – Ja, möchte ich.“ Ab da ist er der Herr über 18 Fahrzeuge mit 55 Sitzplätzen und insgesamt 1.404 Lichter.
Auf Knopfdruck funktionieren
Der Burglöwe auf dem Braunschweiger Burgplatz ist ein stoischer Beobachter der Dinge, die sich tagtäglich vor seinen Augen abspielen. Die Statue wurde einst von Heinrich dem Löwen zur Machtdemonstration erbaut, seit Jahrhunderten hat sie vieles miterlebt. Im November 2015 blickt sie auf einen jungen Karussellbesitzer hinab, der zum „zwanzigtausendsten Mal“ nervös und mit Herzklopfen jedes einzelne Licht kontrolliert. In wenigen Minuten beginnt die traditionelle Eröffnung des Braunschweiger Weihnachtsmarktes. Dabei drückt der Oberbürgermeister den großen roten Knopf auf der Bühne, im Idealfall erleuchtet er damit den gesamten Burgplatz, alle Lichter müssen auf Knopfdruck funktionieren.
Die Tage zuvor waren turbulent. Eine ganze Woche benötigte der Jungunternehmer für den Aufbau. Die Koordination des Teams braucht seine Zeit und nicht vorhandene Baupläne erschweren das Unternehmen zusätzlich. „Ein langjähriger Mitarbeiter meines Opas hatte mir das Karussell einmalig erklärt. Jetzt stand ich vor dem Aufbau und rätselte, wo wohl die Eisenstange mit der aufgemalten Zahl hinpassen würde.“ Das große Karussell wird nur drei Mal im Jahr aufgebaut, seine Inbetriebnahme lohnt sich erst ab Veranstaltungen, die über mehrere Wochen stattfinden. Der Braunschweiger Weihnachtsmarkt, das dortige Oktoberfest und die Frühlingsmesse sind zeitlich weit auseinander, die eben erlernten Handgriffe bei der Montage sind schnell wieder vergessen. So entwickelt sich aus einem normalerweise dreitägigen Aufbau eine ganze Woche mit Arbeiten bis zur allerletzten Minute.
Als der Oberbürgermeister auf den Knopf drückt, erstrahlt der Burgplatz im Licht tausender kleiner Lichter. Auch Berwekes Kinderkarussell trägt seinen Teil zum Lichtermeer bei, der Schausteller hat es geschafft.
Dekoration zur Weihnachtszeit
Seit diesem Tag im November hat sich einiges getan beim Schausteller und seinem Karussell. Auch wenn das hölzerne Fahrgeschäft nur dreimal im Jahr benutzt wird, bedarf es andauernder Pflege. Der Reifendruck der Fahrzeuge muss ebenso geprüft werden wie der Motor, der die Fahrzeuge auf ihren Eisenstangen über die Fahrbahn schiebt. Der Teufel steckt im Detail. „Verliert der Reifen eines Fahrzeugs Luft, fliegt er mir um die Ohren wie bei einem normalen Auto, hatte ich auch schon.“ Über die Jahre wurden einige Verschleißteile ersetzt, dennoch legt Berweke auf die historische Optik großen Wert: „Egal was neu ist, es soll alt aussehen.“
Zum Weihnachtsmarkt läuft Nico Berweke alljährlich zur Höchstform auf. Die besondere Dekoration, mit speziellen Weihnachtsfiguren und zusätzlicher weihnachtlicher Beleuchtung, die jedes Jahr das jeweilige Vorjahr zu übertrumpfen versucht, blieb nicht unbeobachtet. 2018 gewann er einen Sonderpreis des Veranstalters des Weihnachtsmarkts. Sein Karussell begeistere seit Jahrzehnten Generationen von Familien und sei durch die ansprechende Dekoration ein besonderer Blickfang, speziell für die kleinen Besucher. Überraschend ist das nicht. Schließlich wohnt dem Karussellbesitzer bis heute sein kindliches Ich inne.
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