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Ich pflück‘ mir einen Wunsch

Irgendwie packt es mich manchmal kurz vor der Weihnachtszeit, da resümiere ich ein wenig vor mich hin: Mein Job, meine Familie, meine Freunde, mein Leben. Ich stelle dann meist schnell fest, dass ich eine kleine Glückspilzin bin. Zur gleichen Zeit rufen die Medien einem ins Gedächtnis, dass es viele Menschen gibt, denen es nicht so gut geht. Die Summe aus Jahresendresümee und Medienbotschaften ergibt den Drang, doch mal etwas Gutes zu tun. Ein vorweihnachtlicher Klassiker, der hinter all den Marketingstrategien einen wahren Kern hat. Warum also nicht. In dem Wust aus Projekten (Wohin mit der Hilfe? Lieber in die Region oder doch ins Ausland?) ist mir der AAI-Wunschbaum (AAI = Arbeitsausschuss Innenstadt Braunschweig e.V.) auf dem Braunschweiger Weihnachtsmarkt ins Auge gestochen.

Das Ganze läuft folgendermaßen ab: Eine geschmückte Tanne steht am nächsten Samstag auf dem Burgplatz (vor dem Landesmuseum). An ihr hängen rund 200 kleine Wunschzettel, nur mit einem Namen, einer Altersangabe und eben einem Wunsch versehen. Die Wünsche stammen von Kindern, die von der Remenhof-Stiftung, einer sozialen Einrichtung für Kinder und Jugendliche, betreut werden. Nun sind die Braunschweiger gefragt. Wer seinen Favoriten unter den Wünschen gefunden, vom Baum „gepflückt“ und anschließend gekauft hat, gibt das Geschenk in der Touristinfo ab. Vertreter des AAI überreichen die Geschenke schließlich bei der großen Remenhof-Weihnachtsfeier am 18. Dezember den Kindern und Jugendlichen.

Die Fachwerkhäuser sind teilweise über 100 Jahre alt. Auf dem Vorplatz findet am 18. Dezember die große Weihnachtsfeier statt. Foto: BSM

Die Fachwerkhäuser sind teilweise über 100 Jahre alt. Auf dem Vorplatz findet am 18. Dezember die große Weihnachtsfeier statt. Foto: BSM

Vor dem großen Wünschepflücktag fahre ich noch einmal beim Remenhof vorbei: Die soziale Einrichtung befindet sich in einem kleinen Gehöft. Teilweise in über 100 Jahre alten Fachwerkhäusern wohnen hier Kinder und Jugendliche. Hinzu kommen Kinder, die zwar zu Hause schlafen, aber tagsüber auf dem Remenhof betreut werden. Ihnen zu Gunsten verzichten die Dauergäste auf die Weihnachtspräsente. „Oft sind es Kinder von alleinerziehenden Elternteilen, da ist das Geld meist knapp“, verrät mir der Leiter Per Møller. „Die Kinder bei uns hingegen sind monetär gut versorgt.“ An Weihnachten kommen dann alle zusammen und jede Wohngruppe trägt etwas zu dem Fest bei: Waffeln backen, Lieder einstudieren oder eben die Namen der Gastkinder vortragen, wenn es zur großen Geschenkübergabe kommt.

Eine Reitlehrerin gibt kostenfrei Stunden für Remenhof-Kinder und kann dafür ihre Pferde hier unterstellen. Foto: BSM

Eine Reitlehrerin gibt kostenfrei Stunden für Remenhof-Kinder und kann dafür ihre Pferde hier unterstellen. Foto: BSM

Er zeigt mir das Gelände und noch bevor ich die nächste Frage stellen kann, stupst mich etwas von hinten an. „Ach, das ist nur Hofhund Gustav“, erklärt Per Møller lächelnd mit dänischem Akzent. Eigentlich in Kopenhagen geboren, wohnt er seit über zehn Jahren mittlerweile in Deutschland und ist seit drei Jahren auf dem Remenhof. Während ich Gustavs Kopf tätschele, erzählt mir Per Møller mehr über den Tag, an dem der Wunschbaum aufgestellt wird. „Direkte Vorgaben zu den Wünschen gibt es nicht, außer dass der maximale Betrag des Geschenks zwischen 20 und 25 Euro liegen darf. Dabei sind kindliche Wünsche wie die Barbie dabei, manche denken auch sehr praktisch. Einmal hat sich ein Junge ein Bügeleisen gewünscht, weil er wusste, dass er im nächsten Jahr ausziehen wird. Schön ist auch anzusehen, mit welchem Bedacht die Menschen die Wünsche auswählen. Viele kommen jedes Jahr wieder.“ Da es meine erste Wunschbaum-Saison ist, gibt er mir einen Insidertipp: „Komme möglichst früh, denn in der ersten Stunde herrscht ein regelrechter Run auf die Zettel.“ Wir gehen weiter an einem Paddock vorbei. Eine Reitlehrerin kann die Ställe des Remenhofes für ihre Pferde nutzen und gibt als Gegenleistung Unterricht für die Kinder und Jugendlichen. Zum Schluss möchte ich wissen, welchen emotionalen Moment Per Møller mit dem Wunschbaum verbindet. Er zögert kurz, lächelt dann aber und verrät: „Wenn man sich die rund 200 Zettelchen einmal anschaut, gibt es etwa vierzig, die ein bisschen im Bauch weh tun. Da weiß man, wenn man den erfüllt, geht ein richtig großer Wunsch in Erfüllung.“

Per Møller ist der Leiter des Remenhofes. Im Hintergrund: Hofhund Gustav, der übrigens der Reitlehrerin gehört. Foto: BSM

Per Møller ist der Leiter des Remenhofes. Im Hintergrund: Hofhund Gustav, der übrigens der Reitlehrerin gehört. Foto: BSM

Der AAI-Wunschbaum wird kommenden Samstag, am 29. November auf dem Burgplatz vor dem Braunschweigischen Landesmuseum aufgestellt. Interessierte können die Wünsche dann von 10 bis 17 Uhr – oder bis sie vergriffen sind – pflücken.

Eine weitere Wunschbaum-Aktion gibt es im Kundenzentrum der Braunschweiger Verkehrs-GmbH. Die Wünsche an seinen Ästen stammen von Frauen und Kindern der Frauenzentren Braunschweig und Wolfenbüttel und können ab dem 28. November begutachtet werden.

Wer keinen Wunsch pflücken, aber dennoch einen erfüllen möchte, kann unter anderem bei der Aktion „Päckchen für Braunschweig“ des AStAs der Technischen Universität Braunschweig mitmachen.

(Artikelbild: BSM)

 

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