Das Thema Frauenbilder – ob in gesellschaftlicher, politischer oder künstlerischer Hinsicht – beschäftigt mich oft. Natürlich ist es ein wichtiges Thema für mich persönlich, da ich als Frau selber betroffen bin, aber auch, weil es ständig Thema in den Medien ist. Frauenbilder sind auch Inhalt einer neuen Sonderausstellung des Braunschweigischen Landesmuseums. Unter dem Titel „Göttinnen des Jugendstils“ zeigt das Museum künstlerische Objekte aus dem Jugendstil – eine kunsthistorische Epoche des bürgerlichen Europas um 1900 – mit Fokus auf der Entwicklung von Frauenbildern und verbindet die Kunst mit dem Zeitgeschehen.
Ich war bei der Pressekonferenz zur Eröffnung dabei und konnte mir schon selbst ein Bild machen. Und eines sei vorweggesagt: Die Ausstellung ist absolut sehenswert!
„Göttinnen des Jugendstils“
Fangen wir mit den Fakten und Daten an: „Göttinnen des Jugendstils“ ist eine internationale Kooperation des Braunschweigischen Landesmuseums mit dem Allard Pierson in Amsterdam und dem Badischen Landesmuseum in Karlsruhe. Nachdem die Ausstellung bereits in Amsterdam sowie in Karlsruhe war, ist sie nun in Braunschweig am Standort Hinter Ägidien bis zum 10. September 2023 zu besichtigen. Einige der präsentierten Objekte stammen direkt aus Braunschweig und Umgebung, sodass die Präsentation in Braunschweig gegenüber den vorherigen in Amsterdam und Karlsruhe nochmal ihre ganz eigene Komposition hat und so auch ihren eigenen Charme mit örtlichen Bezug mitbringt.
Die Ausstellung ist in verschiedene Abschnitte unterteilt und beleuchtet die Ära des Jugendstils aus unterschiedlichen Perspektiven. Dabei hat das Museum stets Verbindungen zwischen den Kunstwerken und dem Zeitgeschehen geschaffen, sodass ein Rundgang wie eine Reise durch den Jugendstil wirkt. Keine Frage; diese Ausstellung lädt sowieso förmlich zur Diskussion ein, so ist das Thema rund um Frauenbilder und Emanzipation ohnehin ein kontroverses, damals und auch heute noch. Aber das Museum regt Besucher:innen zum aktiven Mitdenken und Mitmachen ein: Medienstationen ziehen das Thema spielerisch und digital auf, bieten Quizze sowie weiterführende Informationen zum Durchklicken an.
Menschenbilder im Wandel
Die ersten Abschnitte im Obergeschoss geben einen Einstieg in das Geschichtliche. Die Kunstwerke, aber auch ihre geschichtlichen Anknüpfungspunkte vermitteln eine vage Aufbruchsstimmung. Bewegung fiel hier während der Führung oft als Stichwort – so war die Zeit doch geprägt davon. Ganz konkret lässt sich die Bedeutung der Bewegung an einer konkreten Stelle beobachten: Und zwar an der Veränderung der Mode. Vor allem die Frauenmode veränderte sich insofern, dass sie lockerer wurde und einen höheren Grad an Bewegungsfreiheit bot. Frauen konnten sich dank der neuen Bewegungsfreiheit sportlich betätigen und Tennis spielen oder Fahrrad fahren. Emanzipation war eine der wichtigen Bewegungen in Zeiten des Jugendstils und ein wichtiger Fokus der Ausstellung – in erster Linie den Ereignissen der Zeit selber geschuldet, aber auch weil die Kurator:innen diese gekonnt betonten und in Szene gesetzt haben.
Bis dato war das Bild der Frau eher traditionell ausgerichtet: Zumeist adrett gekleidet, jung und schön, aber vor allem im Schatten des Mannes. Im Jugendstil haben wir es mit einer ganzen Bandbreite an Frauenbildern zu tun, welche nicht immer widerspruchsfreie Darstellungen zur tatsächlichen Lebenslage der Frauen dieser Zeit sind (dabei will ich anmerken, dass zu Zeiten des Jugendstils vor allem Männer die Kunstszenen dominierten und die „Bilder der Frau“ nach ihren Ansichten prägten). Neben dem „adrett gekleideten Fräulein“ begegnen Besucher:innern auf ihrer Reise durch den Jugendstil magischen Feen, mächtigen Göttinnen der Mythologie – „Wesen aus anderer Sphäre“, wie sie Dr. Heike Pöppelmann, Direktorin des Braunschweigischen Landesmuseums, bezeichnet – aber auch Werbeikoninnen aus der Unterhaltungsindustrie oder grausamen Furien, dämonischen entstellten Kreaturen oder der gefährlichen „femme fatale“ als Gegenpart des sonst „einzig wahren starken Mannes“.
So unterschiedlich das Frauenbild an sich ist, so abwechslungsreich ist die Darstellungsweise in der Ausstellung: Besucher:innen können Statuen, Gemälde, Zeichnungen und Fotografien von der facettenreichen Weiblichkeit sehen, aber sich auch auf Alltagsgegenstände und Videoeindrücke aus der Zeit einstellen. Highlights der Ausstellung und die wohl bekanntesten Kunstwerke sind Alfons Muchas Büste „La Nature“ und Charles Robert Sykes Skulptur „Spirit of Ecstasy“, die von 1911 bis 1934 die Kühlerhaube jedes Rolls Royce zierte.
Der Jugendstil in Braunschweig
Die Ausstellung bietet neben internationalen Werken auch Jugendstil-Werke aus der Region: Zum Beispiel sind Alltagsgegenstände aus dem Sanatorium Dr. Barner in Braunlage zu sehen. Ein original restaurierter und begehbarer Jugendstil-Windfang aus einem Fotoatelier aus Wolfenbüttel ist das größte aller Ausstellungsobjekte.
In einem eigenen Abschnitt „Von Beruf Künstlerin“ können Besucher:innen Lebensläufe und die Werke ausgewählter Künstlerinnen aus dem Jugendstil entdecken. Eine von ihnen ist Käthe Buchler – eine Fotografin aus Braunschweig. Wer sie ist und was sie geleistet hat? Das erfahren Sie vor Ort!
Infos
Braunschweigsches Landesmuseum
Standort Hinter Aegidien
38100 Braunschweig
Hier finden Sie auch die Ausstellung „Ein Teil von uns“.
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