Der kleine Vegetarier

Nachmittags halb drei in Braunschweig: Während ich den Schaum von meinem Latte Macchiato löffle, beobachte ich das rege Treiben auf der Auguststraße. Hergekommen bin ich allerdings eigentlich nicht wegen des warmen Getränks, sondern weil ich auf meiner Suche nach einer neuen Anlaufstelle für die Mittagspause den kleinen Vegetarier kennengelernt habe.

Das aktuelle Tagesgericht.

Dabei handelt es sich um ein kleines, ein wenig unscheinbares Bistro unter der Leitung von Richard Liedtke. Er hat das Geschäft übernommen, als es 3,5 Jahre zuvor kurz vor der Schließung stand. Richard Liedtke hat dem kleinen Vegetarier unter die Arme gegriffen und ihm auf die Beine geholfen und das hat sich gelohnt: Zur Mittagszeit herrscht hier regelmäßig Hochbetrieb. Serviert werden täglich frisch zubereitete vegane und vegetarische Gerichte, deren Zutaten von regionalen Produzenten stammen. Neben einer kleinen Speisekarte, die dauerhaften Bestand hat, gibt es wöchentlich wechselnde Tagesgerichte zum kleinen Preis: Die Tagessuppe kostet 3,50€, das Tagesgericht 5,50€. Wie das geht? Ganz einfach, indem auf das Angebot der Produzenten geschaut wird. Je nach Saison variieren die Speisen: Im Frühjahr gibt es viel Spargel, im Winter viel Kohl. Gekocht wird ohne Glutamat oder chemische Zusätze, dafür mit vielen frischen Kräutern. Da kann die Zubereitung auch mal ein paar Minuten länger dauern, das nehmen die Kunden aber gern in Kauf. Besonders für ein Gericht, dass sich längst vom Geheimtipp zum Verkaufsschlager entwickelt hat: Das Kartoffelrösti, das es wahlweise mit Champignons oder überbacken mit Ziegenkäse und Apfelchutney gibt.

Bild einer Wolfenbütteler Künstlerin.

Während wir uns über das Essen und die Zubereitung unterhalten, wird Richard Liedtke von einer Mitarbeiterin unterbrochen, die ihm einen Teller mit einer veganen Currywurst in die Hand drückt und ihn damit zu einem wartenden Kunden schickt. Er lächelt mich an, zuckt nur mit den Schultern und meint im Spaß, dass er sich manchmal fragt, wer hier eigentlich der Chef ist. Ich muss auch grinsen und nutze die kurze Unterbrechung für einen Blick auf die Speisekarte. Besonders lecker klingen für mich die Penne mit selbstgemachtem Pesto und frisch geriebenem Parmesan. Zu allen Gerichten wird außerdem ein kleiner Salat serviert. Sogar Pizza hat der kleine Vegetarier im Angebot: gebacken mit Dinkelmehl und wahlweise mit veganem Käse.

Richard Liedtke kommt wieder und bemerkt den Blick, mit dem ich gerade den Raum inspiziere. Er erzählt mir, dass die großen Bilder an der Wand von einer Wolfenbütteler Künstlerin stammen und er zwei weitere, kleinere Gemälde selbst gemalt hat. Der Mann kann also nicht nur kochen, sondern ist auch noch künstlerisch begabt. Ich bin schwer beeindruckt.

Für Naschkatzen.

Weil hier mittags so viel los ist, kann man sein Essen auch vorbestellen oder sich gleich liefern lassen. Und wer wie ich ein Leckermäulchen ist und gern nach dem Mittag noch etwas Süßes nascht, für den hat der kleine Vegetarier Gebäck und auch täglich einen frisch gebackenen Kuchen aus Dinkelmehl im Angebot. Das einzige Produkt, das hier etwas Weizenmehl enthält, ist der Heidesand, der mir direkt wärmstens ans Herz und wenige Sekunden später vor mir auf den Teller gelegt wird. Ich kann natürlich nicht widerstehen und stelle fest: der schmeckt wirklich lecker.

Ich bedanke mich für das Gespräch und bleibe noch eine Weile sitzen, während Richard Liedtke sich wieder um die Küche und seine Gäste kümmert. Selbst nachmittags halb drei ist hier die Mittagskarte noch gefragt.

Nicht weit von meinem Tisch entfernt fällt mir ein Wassernapf für Hunde auf und ich muss doch noch eine letzte Frage stellen: „Dürfen die Gäste ihre Hunde mitbringen?“. „Natürlich“, lautet die Antwort von Richard Liedtke ohne zu zögern. „Man soll Tiere lieben, nicht essen.“