In den USA ist er der letzte Schrei unter gesundheitsbewussten Fitnessjüngern und selbst McDonald‘s hat ihn ins Programm genommen – die Rede ist von „Kale“, zu Deutsch: Grünkohl. Hier kann man über diesen Hype nur müde lächeln. Denn von der Küste bis in die norddeutsche Tiefebene pflegt man seit Generationen einen Brauch, der kulinarischen Genuss und körperliche Ertüchtigung auf ganz eigene Weise verbindet. Gemeint ist natürlich die beliebte Grün- bzw. Braunkohlwanderung.
Grünkohl vs. Braunkohl
An dieser Stelle müssen wir einige grundlegende Fakten zu dem Wintergemüse aus der Familie der Kreuzblütengewächse klären. Zunächst natürlich die Glaubensfrage: Heißt es nun „Grünkohl“ oder „Braunkohl“? In und um Braunschweig sagt man üblicherweise Braunkohl und so mancher Lokalpatriot erklärt das Braunschweiger Land gar zum Namenspatron für den geliebten Kohl – es lag aber ganz einfach an der unterschiedlichen Farbgebung der früher zahlreichen Grünkohlsorten. Und da gibt es noch eine Legende, die sich hartnäckig hält: „Braunkohl nur nach dem ersten Frost!“ Es kommt allerdings nicht auf den Frost an, sondern generell auf niedrige Temperaturen und eine späte Ernte. So bleibt (frischer) Braunkohl trotz alledem ein Saisongemüse: Winter, Kälte, frische Luft, Naturerlebnis … Braunkohl! Das alles gehört zusammen und eine Braunkohlwanderung ist die perfekte Kombination.
„Gute Freunde, gute Wege, gutes Wetter“
Das sind die besten Voraussetzungen für eine gelungene Braunkohlwanderung, sagt Malte Schumacher. Der 49-jährige geht seit zehn Jahren mit seinem Eintracht-Braunschweig-Fanclub auf Braunkohlwanderung. Als erfahrener Routinier hat er noch mehr Tipps auf Lager: Am besten beginnt man die rustikale Gourmetreise mit einem guten Frühstück. Zwischen 9 und 10 Uhr ist dann eine gute Zeit, um sich irgendwo im Braunschweiger Umland mit seinen Wandergefährten zu treffen und loszuziehen. „Ziehen“ ist ein gutes Stichwort, denn ein robuster Bollerwagen für den Proviant ist unverzichtbar. „Mit Verpflegung ist hier allerdings weniger Essen gemeint, denn das gibt es ja in der Gaststätte“, erläutert Schumacher – Bier ist eben auch Tradition bei einer zünftigen Braunkohlwanderung. Nach zwei bis drei Stunden Wanderung auf Feld- und Waldwegen, möglichst abseits großer Straßen, wird zur Mittagszeit eine Dorfkneipe angesteuert. Natürlich nicht irgendeine, vorher sollte man recherchiert und reserviert haben. Aber das Angebot ist groß, viele Kneipen und Gasthäuser in der Region sind auf die Winterwanderer eingestellt. Mit Braunkohl, Bregenwurst und Kartoffeln ist für Malte Schumacher und seine Freunde aber noch nicht Schluss: Danach geht es auf den Rückweg, natürlich zu Fuß.
Mehr als Essen und Trinken
„Wir machen unsere Tour traditionell am Sonntag, und am Montagmorgen sind wir alle wieder fit“, berichtet Malte Schumacher. Sein Tipp: Trotz Spaß und gehaltvollem Essen nicht zu tief ins Glas schauen! Im Übrigen kann natürlich jeder seine eigene Braunkohlwanderung so planen, wie er möchte: ob gemischt- oder getrenntgeschlechtlich, ob als alkoholfreies Familienevent oder sogar vegetarisch, alles ist möglich. Für Schumacher ist es ganz einfach ein klassisches „Geselligkeitsding“: „Du erlebst die Natur, die Kälte, und das alles zusammen mit guten Freunden. In der Spielpause haben sich die Jungs vom Fanclub meist mehrere Wochen nicht gesehen, es gibt eine Menge zu erzählen.“ Und noch etwas ist Schumacher wichtig: Die Braunkohlwanderung verbindet Braunschweig mit dem Umland, die Stadt- mit der Landbevölkerung: „So entdecke ich auch als alteingesessener Braunschweiger jedes Jahr neue Seiten unserer Region, es macht einfach immer wieder einen Riesenspaß.“
Wer gerne an einem echten Traditionsevent teilnehmen möchte, meldet sich für die Braunkohlwanderung des MTV Braunschweig an, die am 7. Februar zum 126. Mal stattfindet.
Text: Jan Engelken
Artikelfoto: Braunkohlwanderung der Ortsfeuerwehr Dibbesdorf 2015, www.feuerwehr-dibbesdorf.de
Keine Kommentare