So und nicht anders!?

Warum bin ich hier und wofür mache ich das eigentlich? Die Suche nach dem Sinn blickt auf eine lange historische Karriere zurück und hat schon Platon, Schopenhauer und Monty Python beschäftigt. Auch bei mir ist das Thema Sinnsuche hin und wieder ein Pop-Up im Alltag und eine temporäre Gemeinsamkeit mit den Akteuren der diesjährigen Ausgabe des europäischen Festivals für junge Regie in Braunschweig: Was reizt eine junge Regiegeneration noch am Theatermachen? Fast Forward gibt uns Antworten von elf Nachwuchsregisseuren aus Frankreich, Ungarn, Deutschland, Italien, Belgien, Kroatien und den Niederlanden. Zu sehen sein werden viel Persönlichkeit, Performance und die kritische Selbsthinterfragung einer heranwachsenden internationalen Künstlerriege. Drei Inszenierungen haben es mir bereits im Vorfeld hochgradig angetan: Forecasting, Rule™ und Der Fall M. – Eine Psychiatriegeschichte.

RULE™, Foto: Thomas
Lenden

Das ganze Leben ist ein Quiz und wir sind nur die Kandidaten: Rule™ verzichtet auf professionelle Schauspieler und macht das, wovor viele Theatergänger sich fürchten: Sie beziehen das Publikum mit ein. Emke Idema aus den Niederlanden hat das Konzept entwickelt und ist gleichzeitig Gastgeberin des Theaterspiels, bei dem kein Abend dem anderen gleicht. Sie stellt die Regeln auf und stellt Fragen zum Thema Migration und dem Umgang mit Fremden. Anfangs sind diese noch recht einfach und die Konsequenz der Antworten überschaubar: Ja-Sager und Nein-Sager gruppieren sich jeweils zu Raum-Inseln zusammen. Doch wohin führt die Bewegung zwischen Gruppe und Individuum, wenn die Entscheidungen kniffliger werden und man sich zwischen eigener und kollektiver Moral entscheiden muss? Ich habe große Lust an dem sicher sehr spaßigen, aber auch tiefgründigen Experiment teilzunehmen und möchte an dieser Stelle alle ermutigen, sich mir anzuschließen.
28. November um 18 Uhr, 29. November um 16 und 20:45 Uhr in der Aula der Gaußschule

Forecasting, Foto: Yelena
Remetin

Für Performance-Fans ist Forecasting (Italien, Kroatien, Belgien, Frankreich) beim diesjährigen Fast Forward sicherlich der Tipp schlechthin. Im Vorfeld wurden die unendlichen Weiten von YouTube durchforstet und der dortige mediale Narzissmus unter die Lupe genommen. Auf der Bühne treffen nun Videos auf dem Laptop auf die Performerin Barbara Matijević und münden in eine skurrile Choreographie, die die Grenzen von real und virtuell irgendwie verschwinden lässt. Es geht nicht darum, einzelne YouTuber vorzuführen, sondern ins Bewusstsein zu rufen, was wir da eigentlich im Netz alles von uns preisgeben. Klingt unterhaltsam und anregend!
29. November um 19:30 Uhr, 30. November um 18 Uhr auf der Probebühne im Kleinen Haus

Der Fall M. – Eine
Psychiatriegeschichte, Foto: Federico Pedrotti

Wo wir doch bei der Sinnsuche waren – ein Prise Kafka ist auch mit dabei! In der deutschen Produktion Der Fall M. – Eine Psychiatriegeschichte treffen Kafkas Motive und Texte auf die von Ödön von Horváth, Elly Maldaque und Gustl Mollath. Zuschreibung von Krankheit aus den Reihen der Gesellschaft, große Justizirrtümer und der unglaublich wahnwitzige Kosmos der menschlichen Psyche an sich bieten die beste Grundlage für ein Theatererlebnis der anderen Art und dürften mit einem neugierigen Umgang von Zeit und Spielformaten von Regisseur Florian Fischer zu einem inhaltlichen wie optischen Trip werden.
30. November um 16 und 20:15 Uhr im Kleinen Haus

Fast Forward ist ein Festival des Staatstheaters und findet vom 27. bis 30. November statt. Neben den theatereigenen Spielstätten Kleines Haus und Haus Drei sind zwei Inszenierungen im LOT-Theater und ein Stück erstmals in der Aula der Gaußschule  zu sehen. Künstlergespräche und Partys am Ende des jeweiligen Tages runden das Programm ab. Wer gerne noch tiefer einsteigen möchte, nimmt am Festivalgespräch „Was auf dem Spiel steht – Stoff, Thema, Situation: Worum geht es dem europäischen Theaternachwuchs?“ am 30. November um 11:15 Uhr in der IHK Braunschweig teil. Klasse ist, dass fast alle Vorstellungen – bis auf Rule™ und Forecasting – in Originalsprache mit deutschen und/oder englischen Übertiteln stattfinden.

(Artikelbild: Forecasting, Foto: Yelena Remetin)