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„Es ist ein Privileg, hier zu arbeiten“

Das Familienbild von Rembrandt wird gehängt. Foto: Cordes, HAUM

Als Mitarbeiterin des Stadtmarketings hatte ich das Glück, zu einer Preview im neuen Herzog Anton Ulrich-Museum eingeladen zu werden. Bei unserem Besuch konnten wir unter anderem vier Räume der Gemäldegalerie anschauen. Machen wir es kurz: Es hat mich umgehauen!

Diese Bilder! Als Zugezogene wusste ich zwar, dass das Museum über namhafte Künstler und berühmte Bilder verfügt – das Museum besucht habe ich allerdings noch nicht. Deshalb hatte ich keine Ahnung, welche Schätze das Herzog Anton Ulrich-Museum beherbergt. Verantwortlich für einen Teil dieser Schätze, konkret für die Gemäldesammlung, ist Dr. Silke Gatenbröcker. Mit ihr bin ich heute verabredet. Ich möchte nämlich zu gern wissen, ob sich die Mitarbeiter der Gemäldegalerie den ganzen Tag mit Bildern beschäftigen. Dann würde ich vielleicht doch noch einmal den Job wechseln. Silke Gatenbröcker lacht auf: „Ja, das wäre schön, wenn ich den ganzen Tag nur die Bilder studieren könnte. Sicherlich war es das Interesse an Kunst, warum ich in diesen Beruf gegangen bin. Aber zu meinem Arbeitsfeld gehört doch noch Einiges dazu.“

Sammeln, bewahren, forschen, vermitteln

Natürlich war mir klar, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Gemäldegalerie nicht nur die Bilder archivieren und sie verwalten, was Silke Gatenbröcker mir dann aber erzählt, ist weit vielfältiger als angenommen. Ganz konkret macht sie ihren Arbeitsbereich an den von der ICOM (International Council of Museums) definierten vier Grundsätzen fest:

  • sammeln
  • bewahren
  • forschen
  • vermitteln

Ein Teil ihrer täglichen Arbeit besteht also aus dem Sammeln von Werken. „Die herzogliche Sammlung ist umfangreich und auf einem sehr hohen Niveau, trotzdem ist es meine Aufgabe, weitere Stücke der Sammlung hinzuzufügen. Nicht viele, aber jedes Jahr kommen neue Bilder hinzu. Natürlich sind das meistens keine Rembrandts oder Rubens, aber oft bekommen wir wichtige Ergänzungen zu Bildern, die schon in unserem Bestand sind. Das bedeutet, ich beobachte regelmäßig den Markt und verhandle mit den Besitzern, wenn wir neue Kunst erwerben können.“ Dafür steht Silke Gatenbröcker in ständigem Kontakt mit Besitzern und Leihgebern, denn nur selten können die Bilder gekauft werden. Meistens sind es Leihgaben, die für eine Ausstellung oder sogar als Dauerleihgabe für das Museum erworben werden.

Allegorie der fünf Sinne von Ludovicus Finson

Eines der vielen barocken Gemälde aus der Sammlung des Museums: Ludovicus Finson (1578-1618), Allegorie der Fünf Sinne, Leinwand, 141 x 189 cm. Herzog Anton Ulrich-Museum

Verantwortung für 1.400 Gemälde

Wenn die Bilder dann im Besitz des Museums sind, achtet Silke Gatenbröcker darauf, dass sie bewahrt werden. „Wir tragen die Verantwortung für die Bilder. Zum einen müssen wir sicherstellen, dass wir den Standort aller Werke jederzeit im Blick behalten – das hört sich profan an, aber wir verleihen Bilder an andere Museen, andere Bilder werden restauriert oder sind zu Forschungszwecken nicht an ihrem Platz im Depot gelagert. Bei 1.400 Werken ist es wichtig, dass wir immer den Überblick behalten. Natürlich bewahren wir die Bilder auch im konservatorischen Sinn: Gemeinsam mit den Restauratorinnen passen wir auf, dass die Bilder im richtigen Klima gelagert werden, dass sie gepflegt werden. Wir schauen, ob die Rahmen passen oder ob wir die Rahmung erneuern müssen. Das passiert bei Bildern, die keinen Rahmen haben, aber auch bei Bildern, deren Rahmen nicht in die historische Zeit passen. Das ist eine große Aufgabe, auch noch in den nächsten Jahren.“

Außerdem forscht Silke Gatenbröcker zu Gemälden der Sammlung des Herzog Anton Ulrich-Museums oder unterstützt Wissenschaftler bei ihren Forschungsvorhaben. Die Forschungsergebnisse werden dann auf Tagungen oder in Publikationen veröffentlicht und fließen oft auch in neue Ausstellungskonzepte ein.

Damit sind wir beim letzten der vier Grundsätze: vermitteln. Als Mitarbeiterin des Herzog Anton Ulrich-Museums sieht sich Silke Gatenbröcker in der geistigen Nachfolge des Herzogs. Dieser hat noch auf dem Sterbebett seinen Erben das Versprechen abgerungen, die von ihm gesammelten Kunstwerke immer für die Nachwelt zu bewahren. Von der damaligen barocken Hängung ist das Museumskonzept heute freilich weit entfernt. Statt die Sammlung so an die Wand zu bringen, dass möglichst wenig Wand übrigbleibt, ist jeder Raum der Gemäldegalerie einem bestimmten Konzept zugeordnet.

Die Leiterin der Gemäldegalerie Silke Gatenbröcker vor ihrem Lieblingsbild Familienbild von Rembrandt.

Silke Gatenbröcker vor ihrem Lieblingsbild: Das Familienbild von Rembrandt. Foto: BSM

Einrichtung der Gemäldegalerie

Die Hängung einer Ausstellung muss unterschiedlichste Kriterien berücksichtigen: chronologische, inhaltliche und ästhetische Gesichtspunkte spielen eine Rolle. Die Räume im Herzog Anton Ulrich-Museum sind immer einem Thema gewidmet, „Familie“ zum Beispiel oder „Verführung“. Aber auch das ästhetische Konzept der Raumgestaltung war Silke Gatenbröcker enorm wichtig: „Die Besucher sollen aus ihrem hektischen Alltag herausgenommen werden, sie sollen sich komplett auf das Bild konzentrieren können. Das geht nur, wenn das ästhetische Konzept stimmt und sie nicht abgelenkt werden. Zudem hilft die Raumzusammenstellung dabei, das Bild in seiner Qualität hervorzuheben.“

Von den 1.400 Gemälden, die das Herzog Anton Ulrich-Museum besitzt, finden mit dem Raumgewinn nach der umfangreichen Sanierung nun ein Viertel einen Platz in der Dauerausstellung. Silke Gatenbröcker und ihre Kolleginnen haben sich intensiv mit den Fragen beschäftigt: Welche Bilder sollen aus welchen Gründen gezeigt werden? Und wann und wie oft können und müssen die Bilder gewechselt werden? Welcher inhaltliche Faden soll gezogen werden? Passt das inhaltliche Konzept zum Grundriss?

„Ich habe mich an vielen Wochenenden hingesetzt und stundenlang geknobelt“, berichtet die Leiterin der Gemäldegalerie. „Kleine Ausdrucke der Werke, die wir für die Ausstellung ausgesucht hatten, habe ich auf dem Grundriss hin- und hergeschoben. Habe geschaut, welche Bilder in welchen Raum passen – große Ölgemälde gehören in einen großen Oberlichtsaal, dafür wirken feine, filigrane Werke in einem Kabinettraum besser.“ Sie hat dann unzählige Gespräche mit Architekten und Kollegen geführt, gemeinsam wurde die Wandbespannung ausgesucht und die Wandfarbe.

„Das war gar nicht so einfach! Als eines von wenigen Museen in Deutschland haben wir die Wände in der Gemäldegalerie mit Stoff bespannt. Darauf wirken die Bilder einfach viel besser. Beim Aussuchen des Webstoffes und der Stofffarbe haben wir sehr lange ausprobiert und bemustert, bis wir überzeugt waren, eine optimale Lösung gefunden zu haben.“ Eines kann ich Ihnen schon verraten: Die Entscheidung für die Wandbespannung war definitiv richtig. Ich kann es gar nicht richtig beschreiben, es ist einfach ein ganz anderes Raumgefühl.

Außenansicht Herzog Anton Ulrich-Museum

Von außen erstrahlt das Museum schon im neuen Glanz, im Inneren wird noch fleißig poliert, damit ab dem 23. Oktober die Türen geöffnet werden können. Foto: Cordes, HAUM

Mit Herz und Seele

Hinter Silke Gatenbröcker und ihren Kolleginnen und Kollegen vom Herzog Anton Ulrich-Museum liegen anstrengende Zeiten und bis zur Eröffnung des Museums am 23. Oktober 2016 liegt auch noch viel Arbeit vor ihnen. Aber auch wenn ich nur mit der Gemäldegalerieleiterin gesprochen habe, bin ich mir sicher, dass die folgenden Worte für alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Museums gelten: „Mir ist es ein Herzensanliegen, die Sammlung in Ordnung zu halten und ich sehe es durchaus als Privileg, mit dieser herzöglichen Sammlung arbeiten zu dürfen, sie zu verwalten und sie vor allem auch den Besucherinnen und Besuchern zeigen zu können.“ Sie habe eigentlich nie Feierabend und sei in Gedanken oft bei der Sammlung. Und dann sagt sie noch den schönen Satz, dem nichts hinzuzufügen ist:

„Man wächst in die Sammlung hinein und verwächst damit.“

 

Artikelbild: Letzte Arbeiten in der Gemäldegalerie: Das Familienbild von Rembrandt wird an die neu bespannte Wand gehängt. Foto: Cordes, HAUM

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