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Essen hält Leib und Seele zusammen

Eigentlich waren Regina Oestmann und ich auf dem Markt am Franzschen Feld verabredet. Eigentlich, denn es schüttet an diesem Donnerstag aus Kübeln. Deshalb planen wir kurzerhand um und telefonieren. Einerseits schade, denn ich hätte der lebhaften Stimme am Telefon gern auch ins Gesicht gesehen, andererseits kann ich mich so voll auf das Gespräch konzentrieren und darum geht es hier schließlich.

Wir hatten uns für einen Marktbesuch verabredet, weil mir Regina Oestmann zeigen wollte, wie ich als Braunschweigerin gut Lebensmittel einkaufen kann. Also gut im Sinne von gut für meine Gesundheit, gut für die Gemeinschaft und gut für meine Seele. Die Wahl meiner Gesprächspartnerin fiel auf Regina Oestmann, weil sie Convivienleiterin der Slow Food Gruppe Braunschweiger Land ist und außerdem lange Zeit im La Vignia die Braunschweiger:innen mit gutem Essen bekocht hat. Jemand wie sie kennt sich auf jeden Fall mit regionalen Lebensmitteln aus.

Eine Frau mit roten, kurzen Haaren, einer Brille, Goldschmuck und einem roten Oberteil lacht herzlich in die Kamera.
Regina Oestmann ist Convivienleiterin der Slow Food Gruppe Braunschweiger Land. Foto: privat

Die Mischung macht´s

Was mir gleich auffällt: Regina Oestmann will niemanden bekehren. Ich hatte mir für unser Gespräch provokante Fragen überlegt, aber die wischt sie mit einem Lachen weg. „Die Mischung macht´s“, sagt sie dann. Ob Fleisch oder Fisch, ob bio oder konventionell, ob Apfel oder Avocado, alles ist erlaubt. Wenn die Mischung stimmt. Slow Foodies, so die Selbstbezeichnung, bekennen sich zum bewussten, genussvollen Essen. Ob vegan oder nicht, spielt keine Rolle. Wichtig ist ihnen, darauf zu achten, woher das Essen kommt und wie es verarbeitet ist. Denn je stärker verarbeitet, desto mehr chemische, manchmal auch gesundheitsschädliche Stoffe wandern in den Körper. Aber es geht ihnen auch um große gesellschaftliche Themen wie Massentierhaltung, Überfischung, Überdüngung. Entwicklungen, die wider der Natur sind und in letzter Konsequenz dem Klima schaden.

Zurück zur Mischung. Ich möchte von Regina Oestmann wissen, was denn nun im Sinne des Slow Food die richtige Mischung sei. „Das liegt ganz an den eigenen Vorlieben. Wichtig ist, dass man bewusst isst und einkauft. Weniger ist mehr, nicht so viel Fleisch, nicht so viel Fisch, besser das Brötchen vom Bäcker, das vielleicht etwas kleiner ist, dafür aber nicht mit Emulgatoren künstlich aufgebläht wird. Und um die Ecke gucken: Was hat gerade Saison, was wird hier regional angebaut. Hier werden oft weniger Pestizide eingesetzt als in anderen Teilen der Welt. Am besten fragt man sich: Was und wie hat Oma gegessen?“

Dabei muss man nicht verzichten. „Erlaubt ist, was schmeckt“, sagt Regina Oestmann, und dass man auch Ausnahmen machen könne. „Fragen Sie sich, wo bin ich konsequent, wo und wie oft mache ich eine Ausnahme. Natürlich wandert auch mal eine Avocado in meine Einkaufstasche, aber nicht täglich, sondern als Genussmittel.“ Das Tolle an saisonalem Essen, erzählt sie weiter, sei ja, dass man sich auf die einzelnen Produkte freuen könne. Erdbeeren, Spargel, Grünkohl – alles hat seine Zeit und dann sei auch die Freude groß.

Das köstliche weiße Gold, den Spargel, erhalten Genießer:innen unter anderem auf dem Wochenmarkt. Foto: BSM

Bewusst essen – Slow Food leben

Im Slow Food geht es um die Werte regional, saisonal, fair, gut, sauber und kurze Wege. Das kann einem schon mal überfordern. Aber im Zweifel, sagt Regina Oestmann, fragt man einfach nach. „Dann merken Sie schon, wie die Bauern auf dem Markt reagieren. Wenn die wissen, woher das Fleisch kommt oder auf welchem Feld das Gemüse stand, dann wissen Sie auch, dass es regional angebaut wurde. Ob bio oder konventionell steht dabei erstmal nicht im Vordergrund. Auch konventionell angebautes Gemüse kann besser sein als Bioware aus zum Beispiel Spanien.“ Und wer im Supermarkt einkauft, kann auf die Zutatenliste schauen: „Da vergeht mir manchmal der Appetit, wenn ich sehe, was da alles drinsteckt“, grauselt es der Köchin.

Sie selbst hat am eigenen Kind erlebt, dass nach Slow Food-Standards hergestellte Lebensmittel gesünder sind. Die Milchprodukte eines regionalen Milchproduzenten, der seinen Stand auch auf dem Markt am Franzschen Feld hat, können sogar Milch-Allergiker vertragen – wie ihr Sohn. Und so geht es mit vielen Lebensmitteln. Deshalb geht sie selbst häufig auf dem Markt einkaufen. Sie kennt aber auch das Vorurteil, man müsse sich den Marktbesuch erstmal leisten können. Darauf entgegnet sie, dass man auch im Supermarkt auf gute Qualität achten könne. Außerdem kauft man auf dem Markt nur das, was man wirklich braucht, keine abgepackte Packung Fleisch sondern nur ein kleines Stück. Statt der glänzenden Äpfel ohne Makel könne man auch die 2. Wahl-Äpfel kaufen, die deutlich günstiger sind. Auch hier wieder: Die Mischung macht´s.

In der linken Bildhälfte sieht man Körbe mit verschiedenen grünen Jungpflanzen. Auch der Anbau von eigenem Gemüse gehört zum Slow Food. In der rechten Bildhälfte zwei Menschen, ein Mitarbeiter des Marktstandes und eine Kundin, die sich über die Pflanzen beugen.
Auch Kräuter, Salatpflanzen und Blumen werden wie hier auf dem Altstadtmarkt verkauft. Foto: BSM

Wer das Beste für sich will, handelt im Sinne der Gemeinschaft

Es freut Regina Oestmann, dass immer mehr junge Menschen sich für das Thema Ernährung interessieren. Als Einstieg in den Themenbereich empfiehlt sie, einfach mal für Bekannte zu kochen. Getreu dem Motto „Für die Gäste nur das Beste“ achtet man schon beim Einkauf auf gute Lebensmittel. Und warum nicht für den eigenen Körper auch das Beste wollen? Und dann macht sie mich noch auf etwas aufmerksam, was mir vorher nicht in den Sinn gekommen ist: „Wir sprechen von LEBENS-mitteln, nicht von Nahrungsmitteln. Wir nehmen etwas zu uns, das vorher schon in einer anderen Form bestanden hat.“ Deshalb ist es den Slow Foodies auch so wichtig, dass den Lebensmitteln mit Respekt begegnet wird – sei es im Sinne einer artgerechten Tierhaltung oder der naturverbundenen Anbauweise.

Wenn Sie mehr über die Slow Food Bewegung und deren Werte erfahren wollen, stöbern Sie einfach auf der sehr umfassenden Internetseite. Dort finden Sie auch einen regionalen Einkaufsführer. Oder Sie besuchen die Veranstaltung „Eat Local. Think Global“, ein Aktionstag im Stadtgarten Bebelhof, bei dem es darum geht, welche Auswirkungen unsere Ernährung auf die Welt hat.

Artikelbild: Braunschweig Stadtmarketing GmbH

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