Dass die Wandfarbe erst seit Kurzem trocken ist, rieche ich gleich, als ich das neue Bekleidungsgeschäft jojeco im Magniviertel betrete. Tatsächlich lugt hinter dem Tresen noch ein Farbtopf mit Naturfarben hervor. „Natürlich“, denke ich, das Konzept wird auch in der Ladengestaltung weiterverfolgt. jojeco, muss man wissen, verkauft ausschließlich Fairtrade-Kleidung.
Herzlich werde ich von Jens Arnemann und Johannes Wegener begrüßt. Bevor sie mir Rede und Antwort stehen wollen, soll ich die Kleidung, die sie hier verkaufen, erstmal ansehen und anfassen. „Hättest du gedacht, dass das öko ist?“, fragt mich Johannes Wegener. Aber ich bin vorbereitet, habe heute sogar extra mein Kleid von Armedangels angezogen, einer der Marken, die hier verkauft werden. Das Kleid habe ich im vergangenen Jahr bei Zone gekauft und auch bei Peek und Cloppenburg liegen ein paar Kleidungsstücke des Kölner Fairtrade-Labels. Meistens aber suche ich online, wenn ich Fairtrade-Kleidung kaufen möchte. Genau wie Jens Arnemann, der seit drei Jahren nur noch fairtrade trägt. Das Problem bei Internetkäufen – es fehlt die fachliche Beratung, die Haptik, das Einkaufserlebnis. Und so reifte die Idee zum eigenen Laden.
Im November 2014 rief Jens Arnemann seinen Freund aus Kindheitstagen an: Johannes Wegener sollte sein Geschäftspartner werden. Der lebte zu diesem Zeitpunkt noch in Berlin, arbeitete als Requisiteur in der Filmbranche . Der großen Liebe wegen wollte er zurück nach Braunschweig ziehen, suchte nur noch nach einer Arbeitsstelle. Lange überlegten die beiden nicht, knapp einen Monat später stand fest, dass sie zusammen Fairtrade-Fashion in Braunschweig verkaufen wollen.
Johannes Wegener hatte sich bis dahin noch gar nicht mit der alternativen Mode auseinander gesetzt. Er war, wie er sagt, „geflasht“ von der Mode, vom modernen Aussehen, von dem guten Tragekomfort und dem tollen Gefühl auf der Haut. Sein Bild von Öko-Fashion – kratzige Stoffe, langweilige Farben, unvorteilhaftes Design – hatte sich mit einem Schlag geändert. Im Januar ging die Arbeit dann los, sie reisten zu Modemessen, trafen sich dort mit Ausstellern und lernten die Community kennen. „Da herrscht überhaupt kein Konkurrenzdenken, weil alle das gleiche Ziel haben, die Welt ein Stück zu verbessern“, erzählt Jens Arnemann. Und weil die Marken im Gegensatz zu den großen Kleidungsherstellern so klein sind, könne die Qualität auch besser kontrolliert werden. „Da reist der Geschäftsführer noch selbst nach China, um sich die Produktionsstätten anzusehen.“
Bei jojeco kommt es nicht darauf an, ob die Kleidung in Europa produziert wurde. „Wir verkaufen beides, Kleidung, die in Europa produziert wird, und Kleidung, die in Entwicklungsländern hergestellt wird. Uns ist nur wichtig, dass es zu 100 Prozent fairtrade ist. Das fängt beim hochwertigen Material an, das keine Giftstoffe enthalten darf, und hört bei der gerechten Bezahlung der Näherinnen und Näher auf. Unsere Kleidung ist GOTS-zertifiziert.“ 15 verschiedene Marken werden bei jojeco verkauft. Von lässigen, sportlichen Stücken bis zu schickerer Kleidung ist alles dabei. Die Kleidung besteht vor allem aus Biobaumwolle, Leinen und Hanf, aber auch aus Tencel und Modal, einem Rohstoff, der aus Holz gewonnen wird. Leder wird durch Kork ersetzt, so sind einige Kleidungsstücke sogar vegan.
Johannes erzählt, dass sie sich auf den Messen wie kleine Studenten gefühlt haben, die das ganze Wissen aufgesogen haben: „Für uns war ja auch alles neu. Wir haben Kontakte zu den Markenchefs geknüpft, haben uns über Materialien und Zertifikate informiert. Und zwischendurch haben wir uns die Herbst- und Wintermode angeschaut, denn eigentlich wollten wir erst im September eröffnen“. „Und plötzlich war das Ladenlokal da“, unterbricht Jens Arnemann. „Beim Mittagessen habe ich im Internet nach Läden in Braunschweig gesucht und diesen Standort hier gefunden. Der passt perfekt zu uns. Wir wollten gerne ins Magniviertel, denn unter den vielen inhabergeführten Läden fühlen wir uns richtig wohl. Hier gehen die Kunden auch bewusster einkaufen, und darum geht es uns ja auch: Entschleunigt konsumieren anstatt tütenweise neue Klamotten kaufen, die nach einem Mal tragen auf den Müll wandern.“ Also wurde zu der Herbst- und Winterkollektion auch noch die aktuelle Sommerkollektion angefragt und bestellt.
Die Innenausstattung des Ladens hat hauptsächlich ein befreundeter Tischler gebaut – mit viel Holz und Kupferrohren, die als Kleiderständer fungieren. Um die Dekoration und das Präsentieren der Ware kümmert sich Johannes Wegener, der zusammen mit seiner Lebensgefährtin das Gesicht des Ladens ist. „Das macht mir richtig Spaß, als ehemaliger Requisiteur ist das mein Ding.“
Die beiden Inhaber verstehen sich nicht als Moralapostel, die alle Menschen verurteilen, die keine Fairtrade-Kleidung tragen. „Das ist ja auch völliger Blödsinn. Wir tragen ja selbst noch unsere konventionelle Kleidung auf, bis sie nicht mehr tragbar ist. Solange die Kleidung noch gut ist, soll sie nicht weggeworfen werden. Wenn die zerrissene Hose durch eine Fairtrade-Hose ersetzt wird anstatt durch zwei oder drei Billig-Hosen, dann haben wir unser Ziel erreicht. Unsere Kunden sollen mit einem guten Gewissen einkaufen.“
Artikelbild: BSM
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