Lesen geht für mich immer, ob draußen oder auf dem Sofa – ein Buch braucht keinen Strom, keine Batterien und keinen Akku. Aus diesem Grund hat es mich sehr gefreut, als ich von der Braunschweiger Literaturzeit am 5. November 2022 erfahren habe. Zu diesem Festival kommen viele renommierte Autor:innen für einen Abend nach Braunschweig und lesen aus ihren aktuellen Werken. Ich habe mich für Sie ein wenig mit dem Programm beschäftigt und mich mit Andreas Böttcher unterhalten, dem Leiter des Raabe:Hauses, welches das Festival veranstaltet. Weiterhin möchte ich Ihnen eine kleine Auswahl der Werke vorstellen, auf die ich mich am meisten freue. Das ganze Programm finden Sie auf der Seite der Literaturzeit.
Ein neues Festival wird geboren
Angefangen hatte alles mit der Langen Nacht der Literatur, der Vorläufer-Veranstaltung, die an einem Lesungsort, dem Kleinen Haus des Staatstheaters, auf drei Bühnen stattfand. Aufgrund des hohen Zuspruchs und der damaligen Abstandsempfehlungen in Bezug auf Corona entschieden sich die Organisator:innen dazu, das Festival etwas zu entzerren und es an mehreren Orten stattfinden zu lassen. Das neue Festival Braunschweiger Literaturzeit war geboren und findet in diesem Jahr zum ersten Mal statt. Das Publikum kann nun 21 Autor:innen lauschen. Die Lesungen finden am Vorabend der Verleihung des diesjährigen Wilhelm-Raabe-Literaturpreises statt, einem der angesehensten und am höchsten dotierten Literaturpreise in Deutschland. „Wir hatten schon bei der Langen Nacht der Literatur einen großen Zuspruch. Deswegen sind wir sehr froh, nun ein umfangreicheres Programm auf mehreren Bühnen anbieten zu können“, freut sich Andreas Böttcher.
Wie läuft das Festival ab?
Am Samstag, 5. November, haben Sie die Möglichkeit von 18:00 bis 22:00 Uhr 21 Autor:innen an sieben Orten in der Stadt bei ihren Lesungen zu erleben. Lesungsorte sind das Kleine Haus des Staatstheaters (Bühne und Aquarium), der Rote Saal, das Schlossmuseum, die Stadtbibliothek, das Städtische Museum und die St. Magni-Kirche. „Das Publikum soll die Möglichkeit haben zu wählen und zwischen den Veranstaltungen zu wechseln. Deswegen sind alle Bühnen nicht weit voneinander entfernt“, erzählt Andreas Böttcher weiterhin.
Es gibt beim Festival drei Zeitslots, zu denen die Lesungen starten: 18:00, 19:30 und 21:00 Uhr. In den Pausen dazwischen haben die Besucher:innen die Möglichkeit, die Orte zu wechseln. Die Karten bekommen Sie an der Kasse des Staatstheaters sowie im Vorverkauf im Ticketshop für 7 € pro Karte (am 5. November also nur an der Kasse des Staatstheaters). Mit Ihrer Karte erhalten Sie direkt Ihr Festivalbändchen, mit dem Sie Einlass zu sämtlichen Lesungen an diesem Abend haben. Sollten Sie Ihr Ticket online erstanden haben, gehen Sie einfach zum Lesungsort und holen sich Ihr Bändchen mit Ihrem Ticket ab. Wer die eigenen Lieblingsautor:innen auf keinen Fall verpassen möchte, kann sich ab heute auf der Programmseite der Braunschweiger Literaturzeit einen Platz reservieren. Die Spielorte in Braunschweig verfügen übrigens über barrierefreie Zugänge und Toiletten (mit Ausnahme der St.-Magni-Kirche, hier gibt es keine barrierefreien Toiletten). Bedenken Sie aber, dass Ihr Ticket keine Platzreservierung ist und die einzelnen Spielstätten über ein unterschiedliches Platzangebot verfügen.
Den Autor:innen zu lauschen, ist für mich schon ein Erlebnis an sich. Doch stellt sich mir beim Zuhören oft die ein oder andere Frage. Ein großer Vorteil ist in diesem Fall, dass die Moderator:innen, selbst Autor:innen, Literaturkritiker:innen oder Kulturjournalist:innen, allesamt große Kenner:innen der aktuellen Literaturszene sind. Durch ihr Fachwissen können sie weitere Informationen geben, Fragen erklären und bei den Lesenden nachhaken. Eine Übersicht der Moderator:innen finden Sie ebenfalls auf der Website der Braunschweiger Literaturzeit.
Die Autor:innen und ihre Werke
„Das, was wir präsentieren, ist anspruchsvolle Literatur“, so Andreas Böttcher. „Dementsprechend sind auch die Themen realistisch und anspruchsvoll.“ Die Handlungen drehen sich beispielsweise um Diversität und Diskriminierung, verschiedene Formen von Sexualität, aber auch das Verhalten von Individuen zwischen gesellschaftlichen Normen wie in Heinz Helles Wellen. Auch andere ganz persönliche Konflikte verarbeiten die Romane, wie Traumata und deren Folgen in Andreas Schäfers Die Schuhe meines Vaters oder der Umgang mit familiären Problemen in Yade Yasemin Önders Wir wissen, wir könnten, und fallen synchron. Das Erleben von Entwurzelung und Migration spiegelt sich beispielsweise in Lin Hierses Wovon wir träumen wieder.
Alle Auftretenden gehören zu den aktuellen Glanzlichtern der deutschsprachigen Literaturszene. So liest zum Beispiel der diesjährige Preisträger des Wilhelm-Raabe Literaturpreises Jan Faktor aus seinem Werk Trottel. Einige der anderen Autor:innen standen auf der Shortlist der diesjährigen Preisverleihung wie Katerina Poladjan mit ihrem Roman Zukunftsmusik, Julia Schoch mit Das Vorkommnis oder Alain Claude Sulzer mit Doppelleben. Weitere Autor:innen haben andere Literaturpreise erhalten bzw. sind dafür nominiert. Die Zuschauer:innen sehen aber nicht nur bekannte Gesichter. „Die Literaturzeit soll auch jungen Autor:innen eine Bühne gegeben, deswegen haben wir auch ganz bewusst junge Schriftsteller:innen mit ihren Debütromanen im Programm.“, so Böttcher. Eine komplette Liste der Vortragenden finden Sie auf der Website der Braunschweiger Literaturzeit.
Worauf freue ich mich?
Ein Werk, auf das ich schon sehr gespannt bin, ist Blutbuch von Kim de l’Horizon, das mit dem Deutschen Buchpreis prämiert wurde. Diversität, Sexualität und Diskriminierung sind zentrale Stichworte im gesellschaftlichen Diskurs und gerade darauf geht der Roman ein. Die Hauptfigur dieses Romans identifiziert sich, wie auch de l’Horizon, weder als Mann noch als Frau. Durch die Demenzerkrankung der Großmutter beginnt sie sich mit der Vergangenheit der eigenen Familie, gerade mit der weiblichen Linie, auseinanderzusetzen und sieht sich mit Themen wie Erinnerung, Trauma, Familie und Schweigekultur konfrontiert.
Ein anderes Thema: Wie geht es einem Menschen, der eine Krebsdiagnose erhält und der sein gesamtes Leben neu ordnen muss? Welche Gedanken hat er im Kopf? Ein Werk, das sich damit beschäftigt, ist der Debütroman von Stephan Hornbach Den Hund überleben. Dieses Werk befasst sich mit der Krebserkrankung seiner Hauptfigur Sebastian. Dieser kann nicht das Leben führen, das er für sich vorgesehen hat, sondern muss zurück zu seinen Eltern und in sein altes Kinderzimmer ziehen. Dort sieht er einer ungewissen Zukunft, aber auch Überraschungen entgegen.
Was mich außerdem sehr interessiert: In Kooperation mit dem Filmfest Braunschweig e.V. wird von 21:00 – 22:45 Uhr auf der Hauptbühne des Staatstheaters/ Kleines Haus die Literaturverfilmung „Der Russe ist einer, der Birken liebt“ von der Regisseurin Pola Beck gezeigt. Dieser basiert auf dem mehrfach ausgezeichneten gleichnamigen Debütroman von Olga Grasnowa (2012).
Zum Abschluss
Wenn mir eine Lesung gefallen hat, dann möchte ich natürlich mehr davon. Dafür gibt es an jedem Lesungsort kleine Verkaufstische der Buchhandlung Graff. Die dort erstandenen Bücher können Sie dann gleich von den Autor:innen signieren lassen. So ganz entschieden, wo genau ich hingehe, habe ich mich noch nicht. Die Auswahl fällt nicht leicht, aber ich bin mir sicher, es wird abwechslungsreicher Abend.
Titelbild: Braunschweiger Literaturzeit 5. November (© Axel Baltzer)
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