Fragend schaut meine Freundin mich an. Gestern ist sie in Braunschweig angekommen – sie besucht mich über das Wochenende, damit ich ihr endlich meine neue Heimat zeigen kann. Motiviert machen wir uns am Samstagmorgen mit einem Coffee to go auf den Weg. Es sind nur ein paar Schritte bis zu unserer ersten Station: die Jasperallee. Hier bin ich in Braunschweig angekommen, hier habe ich meine erste Wohnung bezogen und hier wurde meine Liebe zur Löwenstadt geweckt: eine Straße mit schicken Altbauten und einem großzügigen Grünstreifen in der Mitte, auf dem zahlreiche Bäume dem Namen „Allee“ alle Ehre machen.
Auch meine Freundin kann ich dafür begeistern, allerdings nur kurz. Sie ist neugierig: „Wer war denn dieser Jasper?“ Sie hat Geschichte studiert und ist immer interessiert an historischen Details. Da es nicht das erste Mal ist, dass wir zusammen eine Stadt erkunden und ich um ihren Wissenshunger weiß, habe ich mich gut vorbereitet: Ein ausgedehnter Stadtspaziergang bringt uns die Braunschweiger Geschichte näher. Praktischerweise gibt es viele Informationen zu Braunschweiger Kulturdenkmalen direkt vor Ort – auf sogenannten BLIK (Braunschweiger Leit- und Informationssystem für Kultur)-Schildern.
Außerdem informieren in Braunschweig kleine Hinweistafeln direkt unter vielen Straßenschildern über deren Namensgeber, wie ich dankbar feststelle. So kann ich die Frage meiner Freundin mit einem Blick auf das Straßenschild der Jasperallee souverän beantworten: „Dr. Heinrich Jasper wurde 1919 Braunschweigischer Ministerpräsident und blieb es mit Unterbrechungen bis 1930. 1945 ist er im KZ Bergen-Belsen gestorben.“ Ein Punkt für mich!
Bildung im Vorübergehen heißt das Projekt der Bürgerstiftung Braunschweig, bei dem „Schilderpaten“ mit Spenden solche Zusatzschilder finanzieren, die den Straßennamen erklären. Welche Straße damit ausgestattet wird, entscheidet der Spender. Um die Inhalte kümmert sich Historiker Dr. Ulrich Ludewig: Er recherchiert, berät und schreibt den Text für das Schild, das die Bürgerstiftung dann in Kooperation mit der Stadt Braunschweig anbringt. 13 Straßen konnten auf diese Weise mit Zusatzinformationen versehen werden. Viele weitere sind bereits geplant und finanziert.
„Wow.“ Meine Freundin kann ich damit auf jeden Fall beeindrucken, nicht zum letzten Mal an diesem Tag. Jetzt geht es nämlich Richtung Innenstadt. Der Burgplatz mit dem Braunschweiger Löwen, umrahmt von der Burg Dankwarderode und dem Dom St. Blasii, darf schließlich bei keiner Stadtführung fehlen. Auf dem Weg passieren wir den Ruhfäutchenplatz, wo ich nochmal mit meinem Insiderwissen glänzen kann: „Das ist übrigens der Ruhfäutchenplatz. Der Straßenname geht zurück auf den Begriff Rauhfüßchen, womit Hofdiener bezeichnet wurden, die ihre edlen Strümpfe mit Gamaschen schützten.“ Nicht nur Schilder, die nach Personen benannt sind, werden von der Bürgerstiftung mit Zusatzschildern versehen. Auch geografische und altertümliche Bezeichnungen werden erklärt. „Woher weißt du so was denn?“, wundert sich meine Freundin, während ich sie lächelnd weiterziehe und das Thema wechsle – ein bisschen möchte ich mich noch mit meinem Hintergrundwissen rühmen.
Weit komme ich damit aber nicht: Auf dem Weg ins Magniviertel überrascht meine Freundin dann nämlich mich. Gerade setze ich dazu an, ihr den Hintergrund der Georg-Eckert-Straße zu erklären, da unterbricht sie mich: „Georg Eckert war Historiker und Hochschullehrer. Außerdem hat er das Institut für internationale Schulbuchforschung in Braunschweig gegründet, das übrigens nach ihm benannt ist.“ Jetzt kann ich nur noch stauen: „Wieso weißt du so viel über ihn?“ Meine Freundin lacht: „Weiß ich nicht. Aber auch ich kann lesen.“ Mist, aufgeflogen, denke ich mir, lache dann aber mit ihr: „Braunschweig erklärt sich eben manchmal einfach selbst.“
Beitragsbild: BSM
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