Am 11.11. beginnt für einen nicht unerheblichen Teil der Bevölkerung die schönste Zeit des Jahres: die Karnevalszeit oder auch die fünfte Jahreszeit. Feierlich übergibt der Oberbürgermeister – zumindest symbolisch – den Schlüssel für das Rathaus und das Stadtsäckl an die Narren. Bis Aschermittwoch regiert dann der Karnevalsprinz die Löwenstadt. Wer in dieser kommenden Karnevalszeit das Zepter in der Hand halten wird, ist ein gut gehütetes Geheimnis, das erst am 11.11. gelüftet wird.
Vor mir sitzen Nils Wehmeyer und Wolfgang Labersweiler. Nils Wehmeyer ist der scheidende Prinz Nils III. Er hat in der vergangenen Session Braunschweig im Karneval repräsentiert und ein wenig merkt man ihm die Wehmut an, dass er sein Amt in diesem Jahr abgeben muss. Sie beide bringen mir heute den Braunschweiger Karneval näher.
Zum Prinzen wird man geboren – ganz undemokratisch entscheidet nämlich der Vorsitzende der Karneval-Vereinigung der Rheinländer e. V. Braunschweig über die Wahl des Prinzen. Nur wer sich entsprechend verhält, wer ein sicheres Auftreten hat und den Karneval lebt, wird ausgesucht. Bis zur Prinzenproklamation am 11.11. wissen nur der Vorsitzende, eine Handvoll Helfer – die Uniform muss angepasst, der Prinzenorden gefertigt werden – und der Prinz selbst, wer die Regentschaft in der kommenden Session übernimmt. Auch Wolfgang Labersweiler, einer der beiden Geschäftsführer der Komitee Braunschweiger Karneval g GmbH, erfährt erst bei der Proklamation von der Wahl.
Für den neuen Prinzen beginnt jetzt eine spannende, anstrengende aber auch spaßige Zeit. Zwischen November und Aschermittwoch besucht er mit dem Braunschweiger Dreigestirn – neben dem Prinzen gehören der Till von der Braunschweiger Karneval-Gesellschaft von 1872 e. V. und der Bauer von der Mascheroder Karnevalgesellschaft Rot-Weiß 1965 e. V. dazu – zwischen vierzig und sechzig Veranstaltungen, reist durch die Republik und ist überall der Repräsentant der Löwenstadt. Höhepunkt des Karnevals ist der Schoduvel, der große Umzug durch die Stadt am Sonntag vor Rosenmontag.
Mindestens genauso aufregend wie der Schoduvel ist für alle Karnevalisten aber auch der Sessionsbeginn am 11.11. Pünktlich um 11:11 Uhr beginnt die offizielle Prinzenproklamation in der Dornse. Dort übergibt der Oberbürgermeister die Stadtinsignien und der Prinz wird bekannt gegeben. Ab 13 Uhr findet auf dem Kohlmarkt das Biwak statt: mit Bühnenprogramm und Fassanstechen. Für den Prinzen bedeutet das keine Pause: Nachdem er die Glückwünsche entgegen genommen, seinen ersten Pressetermin hinter sich gebracht hat, muss er nun auf dem Kohlmarkt seine erste Rede zum Volk halten und das Fass mit dem frisch gebrauten Prinzensud anstechen. „Das Herzklopfen ist schon riesengroß“, erinnert sich Prinz Nils III. „Zwar hat man eine kleine Ahnung von dem, was der Prinz so machen muss, aber wenn es dann wirklich soweit ist, ist alles viel aufregender. Die Leute freuen sich auf den neuen Prinzen, wollen mit ihm sprechen und ihm gratulieren – ich bin gar nicht dazu gekommen, in Ruhe ein Glas Bier zu trinken.“
Bis 17:00 Uhr dauert der Biwak auf dem Kohlmarkt, bei dem alle Karnevalisten und solche, die es noch werden wollen, mitfeiern können. Auf der Bühne jagt ein Programmpunkt den anderen: Funkenmariechen tanzen, die Garden treten auf und – worauf sich meine beiden Interviewpartner richtig freuen – die neuen Karnevalslieder werden vorgestellt.
Wer jetzt erst richtig in Fahrt gekommen ist und noch Lust auf Party hat, kann in diesem Jahr zum ersten Mal bei der Prinzenparty im Gewölbekeller weiter feiern. Auch hier treten die Künstler mit ihren neuen Karnevalsliedern auf, danach gibt es eine große Feier mit DJ. „Mit der Prinzenparty wollen wir neue Wege gehen und junge Menschen ansprechen. Die Party ist ein Signal, dass Karneval mehr ist als der Zug am Sonntag vor Rosenmontag und Sitzungskarneval mit Büttenreden. Wir wollen die Menschen zusammenbringen: fröhlich, friedlich und ohne Vorurteile, offen und ehrlich“, erklärt Wolfgang Labersweiler.
„Ich glaube, vor der heutigen gesellschaftlichen Situation ist das auch dringend notwendig. Eine Plattform, wo man sich stressfrei austauschen kann“, und Nils Wehmeyer ergänzt: „Ganz plötzlich findet alles auf einer ganz anderen Ebene statt, man ist lockerer miteinander – auch ohne Prinzensud. Jedem ist der Hintergrund des Karnevals bewusst, da kann man ganz anders miteinander reden – auch mal überspitzt, ohne dass der Gegenüber es in den falschen Hals bekommt. Ganz im Sinne von Grimm kann man auch mal sagen: ‚Der König hat keine Hosen an‘ und wird dafür nicht bestraft.“
Nils III. findet es schade, dass es die Prinzenparty nicht schon während seiner Regentschaft gab: „Die Party hätte ich auch gerne als Prinz erlebt. Auf der anderen Seite habe ich in diesem Jahr dann mehr Ruhe, sie richtig zu genießen“, lacht er. Dass er ein weiteres Mal zum Prinzen gewählt wird, ist ausgeschlossen. Der Prinz regiert nur während einer Session den Braunschweiger Karneval, danach wird ein anderer ernannt. Wer das sein wird, erfahren wir erst am 11.11. auf dem Kohlmarkt – ich bin auf jeden Fall gespannt.
Information
Biwak
Karnevalsbeginn am 11.11. ab 13 Uhr auf dem Kohlmarkt
Prinzenparty
Große Feier im ab 17:00 Uhr im Gewölbekeller, Altstadtmarkt Verkleidungen sind gern gesehen, aber kein Muss
Wer mehr über die Aufgaben des Prinzen, über das Braunschweiger Dreigestirn, die Geschichte des Karnevals in Braunschweig und alles zum Schoduvel wissen möchte, dem sei das Buch Fastnacht und Karneval im Braunschweiger Land ans Herz gelegt. Das Buch wird am 8. November pünktlich zum Sessionsbeginn vorgestellt und ist ab dann im regionalen Buchhandel erhältlich.
Fastnacht und Karneval im Braunschweiger Land
Appelhansverlag,19,80 Euro
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