Es wurde viel Staub aufgewirbelt in dieser Woche im Bürgerpark, genauer gesagt: Rote Asche, gemahlen aus Ziegeln. Für den Geschmack vieler Menschen wurde aber auch abseits der Tennisplätze zu viel Staub aufgewirbelt, oder besser: Zu viel Puder.
Schon lange hängt dem Tennissport das Image an, ein Sport ausschließlich für Reiche und Schöne zu sein. Vermeintliche Belege hierfür sind schnell gefunden: Erdbeeren essende und Champagner trinkende Damen mit Hut, die sich im berühmten Londoner Stadtteil Wimbledon in den VIP-Logen tummeln und über den neuesten Klatsch und Tratsch kichern, zum Beispiel.
Diese Bilder haben allerdings mit Tennis so viel zu tun wie die Niederlande mit der diesjährigen Fußball-EM. Sie haben mit keinem Sport etwas zu tun und sind doch in fast jeder (publikumswirksamen) Sportart anzutreffen. Sie sind das Beiwerk, ohne das heutzutage kein Profisport mehr auskommt. Weil Profi-Sportler, wie es ihr Name schon sagt, mit ihrem Sport Geld verdienen. Und weil dieses Geld schließlich irgendwo herkommen muss, wird auch in Braunschweig Champagner getrunken.
Auf den roten Asche-Plätzen auf der Anlage des BTHC aber denkt niemand an Champagner. Das laute Stöhnen, das täglich den Bürgerpark durchdringt, kommt auch nicht von den Kopfschmerzen der Partygäste. Nein, hier spielt sich das ab, was den Tennissport wirklich ausmacht. Das, was übrigens auch jeder Amateurspieler auf dem Tennisplatz seines Heimatdorfes nachempfinden kann, ganz ohne Schicki-Micki-Drumherum. Hier wird gerannt, gekämpft und auf die gelbe Filzkugel eingeschlagen, dass manch einem schon vom Zuschauen die Puste ausgeht. Millimeter und Sekundenbruchteile entscheiden hier über Sieg oder Niederlage, am Ende stehen sich freudestrahlender Jubel und bittere Enttäuschung immer direkt gegenüber.
Vor allem bei einem Turnier wie dem in Braunschweig ist mit der Enttäuschung häufig mehr verbunden als das akute Gefühl der Niederlage. Denn die ATP-Challenger-Serie – sozusagen die 2. Liga im Tennis – symbolisiert für die Spieler den mühsamen Weg in die Weltspitze, die nur die wenigsten von ihnen erreichen werden. Sie tingeln von Turnier zu Turnier, kämpfen Woche für Woche um jedes zu ergatternde Pünktchen für die Weltrangliste. Eine frühe Niederlage in Braunschweig bedeutet: Wieder von vorn beginnen, auf das nächste Turnier vorbereiten, sich dort womöglich sogar erst durch die Qualifikation quälen. Viel Geld springt in diesem Fall auch nicht heraus, die Kosten für Hotel und Trainerteam müssen die meisten Spieler allein stemmen. Wohl dem, der zumindest für das Equipment einen Sponsorenvertrag sein Eigen nennen darf.
Das Publikum in Braunschweig weiß den Einsatz, den die Spieler bringen, zu schätzen. Wer zurückliegt, wird mit aufmunterndem rhythmischen Klatschen zum Weiterkämpfen animiert. Spektakuläre Ballwechsel sorgen schon vor dem Punktgewinn für ungläubiges Raunen im Publikum und werden anschließend mit lautem Jubel bedacht. Man merkt den Zuschauern förmlich an, wie sehr es sie freut, einmal im Jahr die Möglichkeit zu haben, den Besten ihres Sports ganz nah zu sein und sich vielleicht den ein oder anderen Trick für das eigene Spiel abzuschauen. Die meisten Zuschauer kennen das Wechselbad der Gefühle, das die Profis während eines Matches durchleben. Weil sie selbst mit Leidenschaft zum Tennisschläger greifen, Woche für Woche in den vielen Vereinen in Braunschweig und der Region trainieren. Weit weg von Wimbledon, Erdbeeren und Champagner.
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