Dieser Text muss mit meiner Lieblingsjacke beginnen. Eine Freundin hat sie mir im vergangenen Jahr genäht, sie sitzt perfekt, sieht gut aus und das Wichtigste: Sie ist einzigartig. Ich bin richtig glücklich mit meiner Jacke. Jetzt möchte ich noch mehr Lieblingsdinge – Röcke, Kleider …
Es gibt nur ein Problem: Ich kann nicht nähen. Aber das soll sich jetzt ändern. Deshalb habe ich mich zu einem Nähkurs in der Textilwerkstatt am Altstadtmarkt angemeldet. Ich bin etwas früher da, um mich umzusehen und mit der Inhaberin Christiane Colsman zu unterhalten.
Herzlich empfängt mich Christiane Colsman und bittet mich, noch einen Moment zu warten. Sie bespricht gerade mit einer Kundin ein Schnittmuster. Währenddessen schaue ich mich im Laden um. An der linken Seite reihen sich in Regalen Stoffbahnen an Stoffbahnen, vorne liegen selbst genähte Produkte zum Verkauf. Vom Kissen in Wolkenform über Tagesdecken oder Babydecken aus Patchwork über Kuscheltiere über Kissen über Portemonnaies bis hin zu Taschen in allen Farben und Formen.
Die Textilwerkstatt ist Christiane Colsmans dritter Laden in der Löwenstadt. Angefangen hat sie 2011 mit einem kleinen Atelier im Magniviertel, wo sie selbst designte Taschen, individuelle Anfragen und Mitbringsel für Babys und Kleinkinder verkauft hat. Als sie sich dann dazu entschied, auch Stoffe zu verkaufen, wurde das Atelier im Magniviertel zu klein und sie zog ins Friedrich-Wilhelm-Viertel. Neben dem Stoffverkauf und dem Verkauf von eigenen Produkten bot sie dort auch Nähkurse an. Aber die Räumlichkeiten eigneten sich nur für kleine Gruppen und weil die Nachfrage auch für Nähkurse stieg, schaute sie sich nach einem neuen Laden um. Seit 2014 ist sie jetzt am Altstadtmarkt und sehr glücklich mit dem Standort: „Der Laden ist einfach sichtbarer, die Leute kommen hier vorbei, schauen auch mal rein und fragen, was es hier zu kaufen gibt.“
Seit Kindheitstagen näht, strickt und stickt Christiane Colsman. Ein Hobby, das sie mit ihrer Mutter und Schwester teilt. Eigentlich hat Christiane Colsman Romanistik studiert, aber gleich nach dem Studium war für sie klar, dass sie ein eigenes Atelier eröffnet. Weil sie schon für ihre Freundinnen und deren Freundinnen Taschen oder Kulturbeutel genäht hat, Dinge eben, die sich gut verschenken ließen. Heute näht sie nur noch wenig für sich selbst. „Ich habe gerade das Gästezimmer in ein Nähzimmer umgewandelt. Der Herr Colsman war davon nicht ganz so begeistert (*lacht*), aber hier im Laden komme ich gar nicht dazu, etwas für mich zu nähen.“
Jetzt ist es für mich Zeit, dass ich mich an die Nähmaschine setze. Wobei: Zuerst geht es ans Stoffaussuchen. An Stoffen mangelt es in der Textilwerkstatt nicht. Und ich kann mich bei der Auswahl schwer entscheiden. „Christiane hat einen super guten Geschmack, wenn es um Stoffmuster geht. Die Auswahl ist nicht einfach, oder?“, fragt mich eine Mitnäherin, als ich die fünfte Stoffbahn zur Ansicht herausziehe. Als Anfängerstück habe ich mich für einen Turnbeutel entschieden – der ist gerade schwer angesagt und könnte zu meinem Lieblingsaccessoire werden. Außerdem näht Christiane Colsman diesen Beutel mit den Kindern der Näh-AG einer Wolfsburger Ganztagsschule, wo sie montags immer Nähunterricht gibt.
Ich entscheide mich für einen Stoff mit Krokodilen, die „Klipp-Klapp“ sagen, dazu ein einfarbiger Stoff. Die Stoffe sind aus Biobaumwolle gewebt, ein weiteres Zeichen für den großen Wert, den Christiane Colsman auf die Stoffauswahl legt. Neben meinen Stoffzuschnitten brauche ich noch Material: eine Stoffschere zum Zuschneiden, das Schnittmuster, Stecknadeln zum Abstecken, einen Trickmarker und ein Lineal zum Anzeichnen und natürlich Garn und die Nähmaschine.
Bevor ich mich an die Nähmaschine setzen kann, bügle ich den Stoff lange mit dem Dampfbügeleisen. Damit soll verhindert werden, dass der Stoff sich beim Waschen verzieht, und es hat den angenehmen Nebeneffekt, dass die Schadstoffe, die bei normalen Stoffen verwendet werden, aus dem Stoff herausgespült werden. Als nächstes stecke ich das Schnittmuster auf den Stoff fest, zeichne die Rechtecke – ich habe mir wirklich ein einfaches Projekt ausgesucht – mit dem Lineal an und schneiden den Stoff zu. Ich lege die zwei Stoffe, die ich zusammennähen will, so aufeinander, dass die Vorderseiten jeweils innen liegen und stecke den Stoff ab.
Jetzt geht es ans Eingemachte: Ich muss die Stoffe gerade zusammennähen. Nachdem ich auf einem kleinen Reststück geübt habe, klemme ich die Stoffe unter den Nähfuß und trete auf das Pedal. Rat-tat-tat-tat-tat-tat. Zugegeben, bei den anderen klingt es eher nach „sssssssssssssssssssst“, „sssssssssssssssssst“, aber die Nähmaschinen der anderen Kursteilnehmer bewegen sich auch ungefähr 100 Mal schneller. Immerhin ist die Naht gerade. Ein Anfang. So geht es weiter: abstecken, nähen, abstecken, nähen. Nach einigen Nähvorgängen bin ich nicht mehr so vorsichtig und lasse die Maschine schneller laufen. Und gleich wird die Naht schief. Na toll. Zum Glück nur marginal, so dass ich einfach noch einmal eine gerade Naht darüber setze. Schon bin ich dabei, das Innenfutter anzunähen und schwupps – nach 3 Stunden habe ich mein erstes Nähprojekt fertig gestellt. Ich bin mächtig stolz auf meinen Krokodil-Rucksack.
Meine Mitstreiterinnen und Christiane Colsman freuen sich genauso über mein erstes Projekt wie ich selbst. Dabei sind die Damen um mich herum schon echte Profis. Von ihnen werden genäht: ein Kleid, eine Hose, ein Oberteil und ein Tischläufer plus ein Stecknadelkissen. Ob ich es bis in diese Liga schaffen werde? „Mit Christianes Hilfe bestimmt“, erklärt mir mein Gegenüber. „Ohne ihre Hilfe hätte ich auch den Tischläufer nicht geschafft.“
In der Textilwerkstatt bieten Christiane Colsman und die gelernte Modedesignerin und Schneiderin Janina Sperling Nähkurse für jeden Typ an. Von Anfängerkursen über Projektkurse, wo zum Beispiel Taschen oder Kissen genäht werden, bis hin zu Kindergeburtstagen, Jungesellinnenabschieden oder Privatkursen. „Nähen liegt gerade wieder voll im Trend, besonders bei jungen Frauen, die etwas für ihre Kinder nähen wollen. Wer zu uns kommt, weiß in der Regel schon, was er nähen will. Die meisten brauchen dann Hilfe beim Schnittmuster oder wollen sich Tipps geben lassen, wie man effizienter näht. Wir hatten auch mal einen Vater hier, der für seine Kinder die Kleidung umnäht. Er hat sich von uns in einer Einzelstunde noch einmal das ABC des Nähens erklären lassen.“
Normalerweise nehmen bis zu vier Personen an einem Nähkurs teil, es dürfen aber auch mehr sein. Bei Teamausflügen oder Junggesellinnenabschieden mit mehreren Personen werden Teams gebildet: „Die einen schneiden zu, die anderen bügeln, einige nähen und wieder andere sind dafür zuständig, dass das Sektglas immer gut gefüllt ist“, lacht Christiane Colsman.
Informationen und Termine für Nähkurse
Textilwerkstatt
Altstadtmarkt 12, 38100 Braunschweig
Tel. 0531 – 2080 5862
www.textilwerkstatt-bs.de
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