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Kunst braucht Raum

Schaufenster mit Kunst von Holger Lassen

Vor zwei Schaufenstern in der Friedrich-Wilhelm-Straße tummeln sich junge Leute. Sie diskutieren angeregt. Was gibt es denn dort zu sehen? Kunst – Gemälde, Bronzeplastiken und ein Mobile. Ein alter Fotoapparat liegt neben drei Disketten. Darüber hängt ein großformatiges Foto von 1987 mit einem Stahlwerk darauf. Am Schaufenster kleben Schilder mit dem Aufdruck „bskunst.de“. Die Jugendlichen nehmen sich noch ein paar Flyer aus der Haltung neben den Schaufenstern mit, was mich freut. Denn ich bin die 2. Vorsitzende des Alternativen Kunstvereins bskunst.de.

„bskunst.de Alternativer Kunstverein Braunschweig n. V.“ tritt seit 2016 an, leere Schaufenster im Kultviertel der Stadt mit Kunst zu füllen. Der Verein will einerseits Kunstschaffenden dazu verhelfen, ihre Werke in der Öffentlichkeit auszustellen. Andererseits macht er die Innenstadt attraktiver, indem leere und oft trostlos wirkende Flächen mit Kunst belebt werden. Schaufenster und leere Flächen bieten eines: Raum, und das gleich in zweifachem Sinn. Deshalb lautete das Credo von bskunst.de auch „Kunst braucht Raum“. Derlei Räume werden Kulturschaffenden außerhalb der gängigen etablierten Kulturstätten kostenlos zur Verfügung gestellt.

Kunstschaufenster

Bisher konnten rund 80 kreative Menschen aus den Bereichen der bildenden Kunst – also der Bildhauerei, Malerei, Zeichnung, Grafik und Fotografie – die Schaufenster nutzen. Wie der Name bskunst.de schon signalisiert, stellten vorrangig lokale Aussteller*innen ihre Werke aus. Nichtsdestotrotz haben auch schon Künstler*innen aus Russland und Ghana sowie aus anderen Teilen Deutschlands ausgestellt.

Zurzeit bespielt bskunst.de also fünf Schaufenster in der Friedrich-Wilhelm-Straße, die sogenannten „Kultfenster“, die die Interessengemeinschaft Friedrich-Wilhelm-Viertel dem Verein zur Verfügung gestellt hat. Neben den Kultfenstern nutzt bskunst.de noch weitere Räume, die sich hervorragend als Ausstellungsräume eignen, wie das Foyer des Ärztehauses, Friedrich-Wilhelm-Straße 43 neben der Post-Apotheke. Hier finden Sie noch bis zum 20. Dezember eine Fotoausstellung zum Thema „Strukturen | Einsichten – zwei Sichten“ von mir und Thomas Merklin-Noll. Ab dem 20. Februar 2020 ist dort eine groß angelegte Ausstellungsreihe der Gruppe „The Bridge e. V.“ zu sehen, die Kunst, Kultur und Jugendhilfe fördern – mit künstlerisch gestalteten Graffiti. Auch hinsichtlich des Foyers im Ärztehaus arbeiten der Kultviertel e. V. und bskunst.de zusammen.

Drei Personen schauen sich Kunstewrke in einem Ausstellungsraum an.
Vernissage im Foyer des Ärztehauses zur Ausstellung „Strukturen | Einsichten – zwei Sichten“ von Bärbel Mäkeler und Thomas Merklin-Noll. Foto: Astrid Brandt

Auf der anderen Seite der Stadt wartet ein weiteres Foyer ganzjährig auf Ihren Besuch: die große Eingangshalle des Hotels Centro in der Ernst-Amme-Straße 24. Dort stellt zurzeit die Arbeitsgemeinschaft Fotografie Braunschweig in einer Gemeinschaftsausstellung zum Thema „Nocturne“ noch bis zum 30. Dezember ausdrucksstarke Fotografien, viele in Schwarz-Weiß, aus.

Kunst braucht eine Heimat

Last but not least bespielt und „bewohnt“ bskunst.de noch einen Ausstellungsraum im westlichen Ringgebiet: Eine Wohnung in der Jahnstraße 8a, die von der BBG, dem Plankontor und der Stadt Braunschweig finanziell unterstützt wird, ist der Sitz des Vereins. Die Wohnung wird als Atelier, Ausstellungslokalität, Lesungsstätte und Treffpunkt mit Bar genutzt. Hier bietet Ewald Wegner, einer der Mitglieder, montags ab 15 Uhr die Möglichkeit, gemeinsam zu zeichnen, und mittwochs von 15 bis 17 Uhr lädt er ins „Offene Atelier“ zum Zuschauen oder Mitmachen ein.

Ein Künstler sitzt auf einem Stuhl inmitten seiner Skulpturen. Die Skulpturen sidn verschiedene Tiere und menschliche Körper.
Ewald Wegner inmitten seiner Werke. Foto: Astrid Brandt

Alle zwei Wochen mittwochs um 18:30 Uhr findet bislang das Kultur-Café statt (Termine unter www.bskunst.de). Dort werden in lockerer Runde Themen besprochen, die jede*n Besucher*in mit einbezieht. Zum Kennenlernen oder zum Anschauen einer Ausstellung eine super Gelegenheit. Wir freuen uns immer über Besuch.

Kunst braucht Engagement

bskunst.de wuppt also vier Locations für Ausstellungen. Das funktioniert nur mit absolut engagierten Ehrenamtler*innen. Vor allem Astrid Brandt ist hier zu nennen, 1. Vorsitzende und Gründungsmitglied, die quasi täglich für bskunst.de tätig ist. Sie kennt das Kunst- und Eventgeschäft aus vielen Vereinen und Initiativen, in denen sie mitarbeitete. Das schult, prägt und härtet ab. Astrid Brandt, Grafikerin von Beruf, kümmert sich um Fördermöglichkeiten, macht Termine, bespielt die Social-Media-Kanäle und recherchiert von philosophischen Themen bis zu Passepartout-Angeboten alles, was zum Kunstbetrieb gehört.

Neben Astrid Brandt sind noch Nora Schuhmann und ich im Vorstand tätig. Nora Schuhmann ist für die Bestückung der fünf Schaufenster im Kultviertel zuständig und ich kümmere mich um die Pressearbeit, die Gastronomie und teilweise um die Künstlerbetreuung. Andere Mitglieder unterstützen anfallende Aufgaben wie Einkäufe, das Vorbereiten von Ausstellungen sowie Vernissagen und die entsprechenden Nacharbeiten. Im Team wird gemeinsam beraten, wenn es um Bewerbungen für die Präsenz der Fenster sowie komplette Ausstellungen geht oder wenn neue Themen für Projekte erarbeitet werden wollen.

Einige Mitglieder von bskunst.de im Schaufenster an der Friedrich-Wilhelm-Straße. Foto: Bärbel Mäkeler

„Trau dich!“

Apropos Projekte: Im nächsten Jahr startet das Projekt „Trau dich!“. Hiermit will bskunst.de Menschen – vielleicht auch Sie (?) – animieren, die eigenen kreativen Kräfte einmal rauszulassen: zu malen, zu gestalten, zu singen, zu dichten oder was Sie schon immer mal im künstlerischen Bereich angehen wollten. Trauen Sie sich und zeigen Sie Ihr Talent! bskunst.de fördert und unterstützt kreative Menschen von jung bis alt, egal welcher geografischen oder sozialen Herkunft. Aktuelle Aktionen zum Projekt „Trau dich!“ finden Sie ab Februar auf der Homepage www.bskunst.de.

Auch als neues Mitglied in unserem Verein sind Sie uns jederzeit willkommen. Wir sind eine bunte Mischung, unsere Mitglieder kommen beruflich entweder aus dem Kunstbereich oder sie sind Autodidakten aus anderen Berufen. Auch künstlerisch ist bei uns ein breites Spektrum angesiedelt. Wir bieten von der Malerei, der Grafik, der Monotypie über die Fotografie auch Bildhauerei und Plastik, Installationen und Musik.

Braunschweiger Bruni-Frauenförderpreis

Als besonderes Highlight seit der Gründung von bskunst.de entpuppte sich der Braunschweiger Bruni-Frauenförderpreis 2018/19, der unter dem Motto „Wo stehen wir Frauen jetzt? Trotzdem ‒ Kunst“ an den Start ging. Mit publikumswirksamen Aktionen wie der Bespielung aller Schaufenster, Facebook- und Stimmzettel-Abstimmungen, an denen sich mehrere Hundert Menschen beteiligten, stellten sich acht Frauen aus der Region dem Votum des Publikums. Luz Helena Guzmán, unterdessen auch Mitglied von bskunst.de, gewann den Bruni-Förderpreis. Elke Almut Dieter und Lexi Schnäbele belegten die nächsten Plätze. Der Preis steht für mehr Ansehen, Akzeptanz, Anerkennung und Gerechtigkeit für das künstlerische Schaffen von Frauen.

Preisträgerinnen des Bruni-Frauenförderpreises, v. l.: Elke Almut Dieter, Lexi Schnäbele, Helena Luz Guzmán
Preisträgerinnen des Bruni-Frauenförderpreises, v. l.: Elke Almut Dieter, Lexi Schnäbele, Helena Luz Guzmán. Foto: Peter Renz

Falls Sie jetzt noch wissen wollen, was bskunst.de denn von anderen Kunstvereinen unterscheidet, dann kommt hier die Antwort von Astrid Brandt: „Unser Engagement gilt ohne Dogmatismus allen Kulturschaffenden und zudem der Aufwertung des Stadtbildes zum Beispiel in der Friedrich-Wilhelm-Straße. Wir leisten bürgernahes Engagement und wollen kulturelle Lücken beispielsweise durch Aktionen wie ‚Tag der offenen Ateliers im Westen̕̕  füllen.“

Das Resultat überzeugt. Alle gewinnen: die Künstler*innen, die Kunst, der Stadtraum und nicht zuletzt die Einwohner*innen Braunschweigs.

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