Ein typischer Morgen läuft bei mir immer gleich ab. Der Wecker klingelt, ich stehe auf, schleiche ins Bad und gehe duschen – das warme Wasser wäscht den Schlaf aus meinen Augen und weckt mich erst so richtig. Danach schnell Zähne putzen, währenddessen heizt sich schon das Teewasser im Wasserkocher auf. Auch wenn ich mir im Alltag keine Gedanken darüber mache: Dass sauberes Wasser in unbegrenzter Menge aus der Leitung kommt, wenn man den Hahn aufdreht, ist nicht selbstverständlich.
Wasserversorgung früher und heute
Im Mittelalter beispielsweise schöpften die Bürgerinnen und Bürger Braunschweigs das Wasser noch mit Eimern aus Brunnen oder direkt aus der Oker. Erst im 19. Jahrhundert baute man Wasserleitungen aus Holz, die sogenannten Pipen, die das Wasser gleichmäßig in der Stadt verteilten. An elektrische Pumpen oder starken Wasserdruck war noch nicht zu denken – und sauber gefiltert war das Wasser auch noch nicht.
Aufgrund der steigenden Verunreinigung des Flusswassers durch die Industrie musste eine neue Lösung für die Wasserversorgung gefunden werden: 1902 wurde deshalb im Bienroder Weg das erste Wasserwerk mit Grundwasserversorgung errichtet, das das alte Flusswasserwerk im Bürgerpark ersetzte. Eine Erinnerung an dieses erste Wasserwerk in Braunschweig gibt es übrigens noch immer: Der ehemalige Druckturm ist heute Teil des Steigenberger Hotels und steht unter Denkmalschutz.
Obwohl inzwischen mehr als einhundert Jahre vergangen sind, arbeitet das Wasserwerk am Bienroder Weg noch heute. Zwar kommen rund 98 Prozent des Braunschweiger Wassers mittlerweile aus der Ecker- und Granetalsperre im Harz, was den Vorteil hat, dass Oberflächenwasser besonders weich ist, wenig Calcium und Magnesium enthält und infolgedessen zu geringer Kalkbildung neigt. Die übrigen zwei Prozent der Wasserversorgung stammen jedoch noch immer aus dem Wasserwerk am Bienroder Weg. Ich finde, dass dies Grund genug ist, um sich einmal genau anzuschauen, welchen Weg das Wasser zurücklegen muss, bevor es sauber aus meinem Hahn fließt.
Wasser aus dem Brunnen
Deshalb treffe ich mich beim Wasserwerk mit Ulf Schmidt, einem langjährigen Mitarbeiter von BS|ENERGY. Er erklärt mir, dass das Braunschweiger Grundwasser aus etwa 30 Metern Tiefe gewonnen wird, von wo es in Brunnen hochgepumpt wird. Gemeinsam gehen wir auf eine naturbelassene Wiese mit hohem Gras und einigen Bäumen, um einen solchen Brunnen zu sehen. Wer hier einen gemauerten Brunnen wie aus dem Märchen erwartet, wird enttäuscht: Ein Wasserwerk-Brunnen ist funktional, meist nur ein Rohr mit Pumpe und Wasserleitung.
Dieser Brunnen ist ein älteres Exemplar, ein gemauerter Raum in der Erde, in dem ein breites Rohr im Boden verschwindet, und der oben von einer schweren Stahlplatte gesichert wird, damit niemand hineinfallen kann. So nah kommt man an einen solchen Brunnen normalerweise aber gar nicht heran, denn sie stehen in der sogenannten Schutzzone I, einem von drei Bereichen, die strengen Vorgaben unterliegen, um den Boden und somit auch das Grundwasser nicht zu verunreinigen.
Die Wassergewinnung funktioniert, indem das Grundwasser durch eine Kiesschicht in das durchlöcherte Rohr der Pumpe sickert und an die Oberfläche befördert wird. Im Braunschweiger Wasserwerk wird es anschließend an die höchste Stelle des Gebäudes gepumpt, damit das Wasser bei allen Prozessen im Werk nur herunterfließt und nicht mehr gepumpt werden muss. Das spart Energie.
Auch Wasser muss gereinigt werden
Herr Schmidt erklärt mir, dass das Wasser aus dem Brunnen Mangan und Eisen enthält, was sichtbar wird, wenn das Wasser mit Sauerstoff in Berührung kommt – denn dann lösen sich die Eisen- und Manganteilchen aus der Wasserverbindung und es färbt sich rot. Das sei zwar nicht gesundheitsschädlich, sieht aber weder appetitlich aus, noch schmeckt es.
Um am Ende reines Wasser zu erhalten, wird das Grundwasser „verregnet“. Hinter einer verschlossenen Tür wird dazu ein künstlicher Regen erzeugt, der so stark ist wie ein gewaltiges Sommergewitter – die einzelnen Tropfen können so viel Sauerstoff aufnehmen.
Das Wasser fließt dann durch ein breites Rohr und eine Filterschicht in ein großes Becken, wobei sich das Eisen vom Wasser löst und als gelbe Verfärbung in dem Filter aus kleinen Hydroantrazit-Steinchen zurückbleibt. Über den Rand des ersten Beckens fließt das Wasser in ein zweites, wo es erneut durch eine Filterschicht hindurch sickert, in der sich das Mangan ablöst und eine rötliche Verfärbung hinterlässt. Übrig bleibt das reine Wasser, das durch ein blaues Rohr weggeleitet wird.
Jetzt wird das Braunschweiger Grundwasser mit dem weichen Wasser aus den Harztalsperren vermischt. Das geschieht kontrolliert im Wasserwerk, damit das Wasser, das bei Ihnen aus der Leitung läuft, immer die gleiche Qualität und einen konstanten Härtegrad hat.
Viele Prozesse laufen gleichzeitig ab im Wasserwerk am Bienroder Weg. In einem Flur verlaufen unzählige Rohre – breite, schmale, lange. Das Rohrlabyrinth verdeutlicht, wie aufwendig der Weg der Wasseraufbereitung ist. Um bei den ganzen Rohren den Überblick zu behalten, sind sie bunt gestrichen – rot, blau, gelb, grün und orange. In erster Linie hilft das Besucherinnen und Besuchern wie mir – die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter brauchen die farbliche Kennzeichnung nicht, da alle Abläufe technisch erfasst und von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in der Zentrale in der Taubenstraße überwacht und ferngesteuert werden. Für den tatsächlichen Betrieb im Wasserwerk benötigt man eigentlich niemanden mehr. Und dennoch gibt es genügend zu tun für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die die Pumpen und Rohre warten – schließlich gibt es allein auf dem Gelände um das Wasserwerk 65 Brunnen.
Beitragsbild: Sauberes Leitungswasser zum Trinken. Foto: iStock / naumoid
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