Musik ist etwas Magisches – sie füllt Räume, Konzertsäle oder sogar ganze Stadien mit Menschen, sie weckt Emotionen, untermalt Situationen und schafft manchmal auch besondere Erinnerungen. Wie viele Paare haben ‚ihr‘ eigenes Lied? Wie viele Menschen erinnern sich bei einem besonderen Song an den letzten Sommerurlaub? Wie viele Personen hören ein bestimmtes Stück, wenn sie traurig sind? Ich gehöre auf jeden Fall dazu. Zahlreiche meiner Erinnerungen sind mit Musik verknüpft, mein eigener Soundtrack des Lebens sozusagen. Und es kommen ständig neue Songs dazu, denn Musik begleitet mich fast überall hin, ob zum Einkaufen, zur Arbeit oder auf Streifzügen durch die Löwenstadt. Auch heute habe ich sie bei mir – gleichzeitig verfolge ich sie aber. Ich mache mich auf die Suche nach der Musik der Löwenstadt und wandle auf den Spuren ihres größten musikalischen Sohns: Louis Spohr.
Eigentlich galt mein Interesse früher vor allem der modernen Musik – zu Rock, Indie und Alternative habe ich auf Festivals getanzt und, leider ohne jedes eigene Gesangstalent, bei Konzerten mitgegrölt. Aber spätestens seitdem ich vor kurzem ein Konzert des Armida Quartetts besuchen durfte, habe ich auch eine Leidenschaft für die klassische Musik und insbesondere für die Kammermusik entdeckt. Und diesbezüglich bin ich in Braunschweig genau richtig, denn hier ist mit Louis Spohr einer der größten deutschen Komponisten geboren, der zu Lebzeiten neben Pierre Rode und Nicolò Paganini der bedeutendste Geiger seiner Zeit war.
Klar, dass meine Spurensuche an seiner Geburtsstätte beginnt, in der nach ihm benannten Straße im Aegidienviertel: Am Spohrplatz 7. Eine Gedenktafel erinnert an den berühmten Hausbewohner: „In diesem Hause wurde Ludwig Spohr am 5. April 1784 geboren.“ Hineingehen kann ich leider nicht, da das Haus nach wie vor bewohnt ist. Trotzdem bin ich nicht umsonst hergekommen – auf zwei BLIK (Braunschweiger Leit- und Informationssystem für Kultur)-Schilder erfahre ich nicht nur Wissenswertes zu Spohr selbst, sondern auch zur Geschichte des Hauses.
Zwei Jahre lebte Spohr mit seinen Eltern in seinem Geburtshaus, dem heutigen Spohrhaus, bis sein Vater Karl Heinrich Spohr 1786 als Landphysikus nach Seesen versetzt wurde. Dort hat Spohr im Alter von fünf Jahren seine erste Geige bekommen, die es ihm ermöglichte, sein Talent auszubauen. Sie ist erhalten geblieben und hat ihren Platz in der Sammlung historischer Instrumente im Städtischen Museum Braunschweig am Löwenwall gefunden und befindet sich damit nicht nur in der Geburtsstadt des Musikers, sondern auch in der Stadt, in der seine Karriere ihren Anfang nahm. Als Schüler kehrte Spohr nach Braunschweig zurück und besuchte das Martino-Katharineum. Auch hier erinnert eine Gedenktafel am Portal der Schule an den berühmten Schüler, sie zeigt ein Selbstbildnis des Musikers.
Louis Spohr war fünfzehn, als er Herzog Karl Wilhelm Ferdinand mit seinem Talent überzeugte. Dieser machte ihn 1799 zum Braunschweigischen Kammermusicus. Einem herzoglichen Stipendium verdankt Spohr es, dass er Geigenunterricht vom renommierten Franz Eck erhalten und ihn auf seiner Konzertreise nach St. Petersburg begleiten konnte. In dieser Zeit komponierte Spohr sein erstes Violinkonzert, das nicht das letzte bleiben sollte. Insgesamt hinterließ Spohr ein umfangreiches Werk, darunter zehn Opern, 22 Streichquartette, zehn Sinfonien und 15 Violinkonzerte. Fragmente des Werks lassen sich noch heute im Stadtarchiv Braunschweig finden, wie etwa ein eigenhändiges, mit Tinte geschriebenes Musikmanuskript. Seine Kompositionen haben ihn zu einem musikalischen Wegbereiter zwischen Klassik und Romantik werden lassen. Auch war er der Allererste, der zur Leitung eines Orchesters einen Taktstock einsetzte. Damit war und ist er ein Vorbild für alle Dirigenten, vom 19. bis ins 21. Jahrhundert.
Wer suchet, der findet – ich bin überrascht, wie viele Spuren des Musikers es in der Löwenstadt gibt. Doch nicht nur Orte und Gegenstände halten die Erinnerung an den Musiker wach – es sind vor allem Menschen, die seine herausragende Bedeutung für die moderne Musik nicht in Vergessenheit geraten lassen. Institutionen wie das Louis Spohr Orchester und die Braunschweigische Louis Spohr-Gesellschaft fördern das Andenken an Spohr und sein musikalisches Wirken, das sich nicht nur als Komponist, Dirigent und Geiger zeigte, sondern auch als Musikpädagoge. Auch sein Bemühen um musikalischen Fortschritt ist erhalten geblieben in der Löwenstadt. Die Stadt Braunschweig verleiht alle drei Jahre den Louis Spohr Musikpreis. Kommenden Sonntag findet die diesjährige Preisverleihung statt. Im Rahmen eines Sinfoniekonzerts in der Stadthalle erhält der Pianist Moritz Eggert die Auszeichnung.
Beitragsbild: Gedenktafel (Foto: Stadt Braunschweig / Gisela Rothe)
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