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Im Spiel gefangen

Aktualisiert am: 20.12.2023
Beitrag vom: 09.09.2015

Wir haben es geschafft. Irgendwie sind wir in das Versteck von Dr. Danger gelangt. Dr. Danger, seines Zeichens Bombenleger, Attentäter und Dieb, ist gerade unterwegs, um seinen nächsten Anschlag vorzubereiten. Und wir versuchen alles, um diesen zu verhindern – in 60 Minuten. Soviel Zeit bleibt, bis Dr. Danger zurückkehrt und wir auffliegen.

An der Wand hinter uns sind deckenhoch Kaffeesäcke gelagert, neben uns ein Tisch mit einem Kartenspiel, vor uns ein Wandschrank mit alten Wintermänteln. Der Raum ist nur spärlich beleuchtet, eine Öllampe hängt von der Decke, genauso wie ein Kaffeesack, der an einem Zahlenschloss befestigt ist. Jetzt heißt es: Beweise aufdecken, Hinweise suchen, Rätsel lösen.

Mit meinen Mitstreitern bin ich nicht nur gefangen in einem Lagerraum, sondern auch in einem Spiel. Der Lagerraum ist kein echter, in den Kaffeesäcken befindet sich kein richtiger Kaffee und jedes Möbel ist weit mehr als bloße Einrichtung. Alles ist Teil des Spiels, alles könnte ein Hinweis sein. Das Spiel ist ein Live Escape Game und so etwas wie die Spiele, die man aus Computerspielen kennt – nur, dass wir uns wirklich aus dem Raum befreien müssen.

Escape Games stammen aus der Softwarebranche und waren zunächst virtuelle 2D-Spiele. Ein kurzes Intro gibt einen Handlungsrahmen vor, dann müssen durch logisches Denken, Geduld und Geschicklichkeit Aufgaben gelöst werden, damit die Spielfigur aus dem Raum entkommen kann oder die Aufgabe löst. Klassische Detektiv- oder Agentengeschichten. Werden diese Spiele in den realen Raum übertragen, wird zwar das Wort Live ergänzt, das Spielprinzip bleibt im Grunde aber das Gleiche. Nur heißt das Zauberwort dann Teamwork: Anders als bei den Computerspielen muss der Spieler nicht allein aus dem Raum finden, sondern hat die Hilfe von mehreren Mitspielern.

„Unsere Spieler können nur dann gewinnen, wenn sie gemeinsam nach Lösungen suchen“, erklärt Fridolin Muuß. Mit drei Freunden, allesamt Elektrotechniker, hat er Hidden in Braunschweig gegründet und ist das beste Beispiel, dass das Live Escape Game nur im Team funktioniert. Seine Familie – Schwester, Bruder und Eltern – haben schon in Hamburg ein Live Escape Game aufgebaut. Fridolin Muuß lebte zu der Zeit schon in Braunschweig: „Allein hätte ich das Live Escape Game in Braunschweig aber nicht umsetzen können, deshalb habe ich meine Freunde mit ins Boot geholt.“ Die vier sind gleichberechtigte Partner in einer GbR und haben sich gleich auf die Suche nach geeigneten Räumen gemacht.

Fridolin Muuß, Hauke Loges und Daniel Unger haben mit Stephan Diekmann (nicht im Bild) Hidden in Braunschweig gegründet. Foto: BSM

Fridolin Muuß, Hauke Loges und Daniel Unger haben mit Stephan Diekmann (nicht im Bild) Hidden in Braunschweig gegründet. Foto: BSM

Gefunden haben sie die Räume im Bruchtorwall 6, dem alten Gebäude der Reichsbank. „Die Immobilie ist ein Glücksfall für uns. Wir nutzen die alten Tresor- und Lagerräume, hier gibt es wenig Fenster und dicke Wände, die sich hervorragend für die Spiele eignen“, so Fridolin Muuß. Insgesamt haben die vier Gründer drei Räume eingerichtet, in denen drei verschiedene Geschichten spielen: Einen Technikraum, in dem Forscher eine funktionstüchtige Rakete hinterlassen haben und diese nun entschärft werden muss, ein Büro des Reichsbankdirektors, in dem eine Verschwörung aufgedeckt und Gold gestohlen werden soll, und das Lagerhaus, in dem ein Bombenanschlag vereitelt werden muss.
(Update von Dezember 2023: Mittlerweile bietet das Hidden elf Räume an zwei unterschiedlichen Standorten an.)

Die Räume sind mit viel Liebe und detailreich eingerichtet, so dass sich die Spieler sofort in die Geschichte hineinversetzen können. Von einem unsichtbaren Komplizen erhält man über Lautsprecher erste Informationen und die Aufgabe. Dann kann es losgehen: rätseln, kombinieren, lösen, rätseln …

Um die Aufgabe zu lösen, braucht es mehrere Zwischenlösungen. Alles ist auf eine Kausalkette aufgebaut, so dass man sich im Spiel nicht verlieren kann. Und wenn es mal nicht weitergeht? „Dann helfen wir den Spielern mit Hinweisen, schließlich ist es unser Ziel, dass sich alle aus den Räumen befreien können“, wirft Daniel Unger ein.

Hinweise geben, das können die vier Spielleiter deshalb, weil sie die Spieler beobachten. „In jeden Raum sind Kameras und Mikrofone angebracht, damit wir genau verfolgen können, was da drinnen geschieht. Zum einen können wir mit Hinweisen weiterhelfen, wenn die Spieler sich in einer falschen Idee verrennen, zum anderen müssen wir natürlich auch für die Sicherheit der Spieler sorgen und sie sofort rausholen können, wenn jemand plötzlich Angst hat oder etwas passiert.“ Dafür gibt es außerdem Fluchtwege und neben jeder Tür ein Fach mit dem Schlüssel für die Türen.

Bleibt die Frage, wer sich freiwillig in einen Raum einsperren lässt, um Rätsel zu lösen. „Eigentlich alle“, meint Hauke Loges, der Dritte im Bunde. „Freunde, die mal nicht ins Kino gehen wollen, Touristen, die spielerisch etwas über die Stadt erfahren wollen, Unternehmen, die Live Escape Games als Teambuilding-Maßnahme buchen. Nur zu jung sollten die Teilnehmer nicht sein, deshalb haben wir ein Mindestalter von 16 Jahren festgelegt.“ Ob es Streit gibt, will ich noch wissen. „Das haben wir noch nie gehabt. Es ist eher so, dass alle viel mehr miteinander reden und zusammenarbeiten.“

Und es stimmt, auch ich habe mich zu keiner Zeit unwohl gefühlt oder wollte einen meiner Mitspieler an den Hals springen, weil er anderer Meinung war als ich. Die Spiele sind so aufgebaut, dass jeder seine Fähigkeiten unter Beweis stellen kann: der eine kann besser rechnen, die andere besser kombinieren und der nächste hat einen Überblick über den Spielverlauf.

Als wir die Bombe von Dr. Danger finden, sind noch fünf Minuten auf unserer Spieluhr übrig. Fünf Minuten, um eine Bombe zu entschärfen! Im echten Leben brauchen die Spezialisten deutlich länger dafür. Aber wir sind Geheimagenten, wir schaffen das. Und tatsächlich, nach dreieinhalb Minuten hört die Bombe auf zu blinken. Wir haben es geschafft!

Geheimagent, eigentlich wäre das doch auch ein Job für mich, oder?

Informationen

Hidden in Braunschweig
Bruchtorwall 6, 38100 Braunschweig
Öffnungszeiten: 9:30 bis 21:30 Uhr
und
Sophienstraße 40, 38118 Braunschweig
Öffnungszeiten: 9:30 bis 23:00 Uhr

www.hidden-in-braunschweig.de

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