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Konsum im Kreis

„Ich habe einen ganz einfachen Geschmack: Ich bin immer mit dem Besten zufrieden“, soll Oscar Wilde gesagt haben. Eines von Stephanie Senges Mandalas, die gerade im Allgemeinen Konsumverein unter dem Titel „Konsum Mandalas“ ausgestellt sind, trägt als Titel den Ausspruch Oscar Wildes.

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Thangka von Stephanie Senge. Foto: BSM.

Mandalas sind im asiatischen Raum verbreitete geometrische Schaubilder, je nach kultureller Ausrichtung quadratisch oder kreisrund, die mithilfe von figuralen oder geometrischen Formen auf einen Mittelpunkt hinführen. Mandalas werden im Hinduismus und Buddhismus traditionell zur religiösen Bewusstseinserweiterung genutzt. Als visuelles Hilfsmittel, um durch die Darstellung von Gottheiten komplexe Zusammenhänge verinnerlichen zu können.

Um die Kunst des Mandalas zu lernen, war Stephanie Senge in Japan und Indien, hat auf ihren Reisen die meditative wie spirituelle Bedeutung der Bilder erfahren – und auch, wie die traditionellen Gottheiten immer mehr an Bedeutung verlieren. In ihren eigenen Mandalas ersetzt sie deshalb die heiligen Götter durch Konsumprodukte. Dem Zuschauer führt sie dadurch die Abhängigkeit und Vergötterung materieller Konsumgüter vor.

Damit sind wir wieder beim eingangs erwähnten Mandala mit dem sprechenden Titel „Ich habe einen ganz einfachen Geschmack […]“. Das Mandala heißt nicht etwa wegen Oscar Wilde so, sondern weil Lidl für die hauseigene Gourmet-Produktreihe einen passenden Slogan suchte und die Verpackung der Trüffelbutter damit schmückte. Diese Verpackung ist Teil des sehr reduzierten Mandalas, ein schwarzes Quadrat mit großem, weißen Kreis.

Überall findet sich der Kreis als Gestaltungselement wieder. Foto: BSM

Überall findet sich der Kreis als Gestaltungselement wieder. Foto: BSM

Der Kreis hat in Senges Kunst gleich mehrere Bedeutungen, er kann den Globus symbolisieren, der wiederum auf den unbegrenzten Konsum der globalisierten Welt hindeutet. Und natürlich ist der Kreis eine unendliche Form, hat keinen Anfang und kein Ende, was für die spirituelle Erfahrung eines Mandalas von Bedeutung ist.

In allen Bildern findet sich der Kreis, um den herum sich Konsumgüter in unterschiedlicher Weise wiederfinden. Da sind die Thangkas am Kopfende des Raums, die traditionell Schutzheilige oder Landschaften zeigen und dem Gebet dienen. Senge hat ihre Thangkas nicht auf Leinen gemalt, sondern auf LKW-Plane drucken lassen. Anstelle der Schutzheiligen zieren Senges Bilder Werbebotschaften. Links im Raum hängen sieben schwarze, weiße oder rote Quadrate, die aussehen wie politische Werbe- oder Protestplakate – so ganz kann man sich nicht entscheiden, auch aufgrund der allgemeingültigen Botschaften, die sie übermitteln: „Freiheit für alle“, „Frei“ oder „Fühl dich wohl“. Mit Bedeutung aufgeladen werden die Bilder durch die Auflösung, für welches Produkt mit den Slogans geworben wurde: Mobilfunkanbieter, Wurst und Tee (in der Reihenfolge der Slogans). Im Raum stehen drei Säulen mit einem dreidimensionalen Mandala, auf denen sich alltägliche Produkte, von Lebensmitteldosen bis Reinigungsmittelflaschen, im Kreis gruppieren.

Hineingeboren in die Vorstadtgesellschaft versucht Stephanie Senge sich mit ihren Arbeiten an der Gesellschaft abzuarbeiten. Was bedeutet der grenzenlose Konsum? Welche Auswirkungen hat er auf die Persönlichkeit? Statt Zerstörung wählt sie den Weg der Sichtbarmachung, der Artifizierung des Alltags, um den Kapitalismus und die Konsumgesellschaft sichtbar zu machen. Dabei ist sie sich durchaus bewusst, dass sie selbst Güter herstellt und selbst ein Produkt des Kunstmarktes ist.

Deshalb, und weil sie Dankbarkeit als Mittel gegen den entfesselten Konsum sieht, feiert Stephanie Senge am Vortag des Erntedankfestes ihr eigenes Konsum-Dank-Fest auf dem Kohlmarkt. Am 4. Oktober zwischen 12.00 und 16.00 Uhr legt sie auf dem Platz ein Mandala aus Konsumprodukten. Jeder ist aufgefordert, Produkte mitzubringen, ob frische oder verpackte Lebensmittel, ob Kosmetika, Putzmittel, Textilien, Bücher, Musikträger – sämtliche Dinge, die den Konsum der Gesellschaft symbolisieren. Auf einem Zettel soll notiert werden, welche Ressourcen für die Herstellung des Produktes benötigt wurden. Alle gekennzeichneten Produkte können ab 16.30 Uhr wieder mitgenommen werden, alle übrigen werden einer gemeinnützigen Organisation gespendet.

Revolution. Foto: BSM

Revolution. Foto: BSM

Über Stephanie Senge

Die Künstlerin lebt in Berlin und München. Zwischen 1996 und 2003 studierte Sie Bildhauerei bei Prof. Olaf Metzel, 2007 gründete sie zusammen mit Bazon Brock und Wolfgang Ullrich das Konvent „Asketen des Luxus – Konvent der goldenen Eßstäbchen“. Sie befasst sich in ihren Arbeiten mit Konsumenten und dem obsessiven Konsum der Gesellschaft.

Ausstellung Konsum Mandala

bis 26. Oktober 2014
im Allgemeiner Konsumverein, Hinter Liebfrauen 2

Öffnungszeiten

Donnerstag 16 – 20 Uhr
Samstag und Sonntag 14 – 18 Uhr
Eintritt frei

Konsum-Dank-Fest
4. Oktober 2014, Kohlmarkt Braunschweig
12 – 16 Uhr

(Artikelbild: Konsumgüter kreisen um den Mittelpunkt wie auf einer Umlaufbahn. Objekt von Stephanie Senge. Foto: BSM)

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