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Eine Reise ins „Damals …“

Hoher Besuch in der Löwenstadt: Braunschweig begrüßt Prof. Dr. Theodor Heuss im Rathaus. Mit dabei ist seine Frau Elly Heuss-Knapp. Sie lächelt, während sie mit einem Blumenstrauß in der Hand die Rathaustreppen erklimmt. Vor ihr geht ein kleines Mädchen in einem hellen Sommerkleid, mit Kniestrümpfen und geflochtenen Haaren. Das war am 29. April 1951. Woher ich das weiß? Ich hab es gesehen. Live dabei war ich natürlich nicht, aber Stadtinspektor Walter Ehlers hat es für die Nachwelt, und somit auch für mich, auf Bild festgehalten.

Das Blumenmädchen vom Bundespräsidentenbesuch heißt Erika Pegga. Sie war ausgewählt worden, den Bundespräsidenten und seine Frau mit einem Strauß Nelken in Braunschweig zu begrüßen. „Damals war sie neun Jahre alt. Wir suchen nach ihr. Der Verein Freunde des Städtischen Museums Braunschweig e. V. möchte sie zum Essen einladen“, erzählt mir Tanja Jonnek vom Städtischen Museum Braunschweig im Altstadtrathaus. Hier besuche ich heute die Sonderausstellung „Ins Wirtschaftswunder. Fotoreportage 1949 bis 1954 aus Braunschweig“. Sie zeigt rund 160 Exponate aus der Fotosammlung von Walter Ehlers.

Ehlers war im Städtischen Verkehrs- und Presseamt dafür zuständig, Fremdenführungen vorzubereiten. Aber er war auch engagierter Hobbyfotograf – sein Lieblingsmotiv: Braunschweig. Als 1941 erste Luftangriffe auf Braunschweig geflogen wurden, bekam Ehlers die Chance, sein Hobby zum Beruf zu machen, um den Wandel des Stadtbildes zu dokumentieren. Nach 1946 fotografierte er für Oberstadtdirektor Erich Walter Lotz bei aktuellen städtischen Ereignissen und sammelte so einen großen Bildfundus zusammen.

Das Kaufhaus HERTIE wurde am 24. April 1953 in Braunschweig eröffnet. Foto: BSM

Das Kaufhaus HERTIE wurde am 24. April 1953 in Braunschweig eröffnet. Foto: BSM

Für mich sind Fotografien etwas Besonderes – als Momentaufnahmen bilden sie flüchtige Szenen der Geschichte ab. In der Ausstellung versetzen sie mich zurück in die Vergangenheit. Ich erlebe mit, wie HERTIE gebaut und eröffnet wurde. 10.000 Braunschweigerinnen und Braunschweiger stürmten am 24. April 1953 zum Kaufhaus am Sack und wurden von der Reiterstaffel der Polizei aufgehalten. Diese schützte die Eingangstüren des Kaufhauses, das mit der ersten Rolltreppe in Braunschweig, Fahrstühlen und einer Dachterrasse neugierig machte. „Damals mussten die Kaufleute oft Kinder von den Rolltreppen vertreiben“, schildert Tanja Jonnek. „Das war eine richtige Attraktion.“

Zahlreiche Gäste bestaunten aufregende Kunstflüge beim Großflugtag in Waggum 1954. Foto: BSM

Zahlreiche Gäste bestaunten aufregende Kunstflüge beim Großflugtag in Waggum 1954. Foto: BSM

Auch die damaligen Hubschrauber, Segel- und Motorflugzeuge sind für mich eine Attraktion. Diese kann ich auf den Bildern vom Großflugtag in Waggum bestaunen. Kunstflüge und Fallschirmspringen gehörten 1954 zum Programm. „Damals hatte der Flugtag eine ganz besonderes Bedeutung“, erklärt Jonnek. „1945 wurde im Potsdamer Abkommen totales Flugverbot für Deutsche erlassen. Als das aufgehoben wurde, bedeutete Fliegen Souveränität.“

Lorbeer durfte bei wichtigen Empfängen keinesfalls fehlen. Foto: BSM

Lorbeer durfte bei wichtigen Empfängen keinesfalls fehlen. Foto: BSM

Auf dem Weg durch die Ausstellung bleibt mein Blick an einer Collage hängen, die von zwei Lorbeerbäumchen umrahmt wird. „Damals gehörte zu jedem wichtigen Empfang ganz viel Lorbeer“, beantwortet Jonnek meinen fragenden Blick und tatsächlich sind auf den Collagenbildern zahlreiche Lorbeerbäume im Hintergrund zu sehen, wenn prominenter Besuch empfangen wurde.

Lorbeer durfte auch bei der Begrüßung von Theodor Heuss nicht fehlen, der ebenfalls in der Collage abgebildet ist. Auf einem der Collagenbilder ist auch Erika Pegga erneut zu sehen, bei der Blumenübergabe. Ich hoffe, das Städtische Museum kann sie ausfindig machen. Sie hat bestimmt Spannendes zu erzählen über die auf Bild festgehaltenen Momente. Das glaubt auch Tanja Jonnek: „Ich kann ganz besonders empfehlen, die Ausstellung mit älteren Verwandten oder älteren Freundinnen und Freunden zu besuchen. Es ist richtig spannend, wenn Personen sich anhand der Fotos an die damalige Zeit erinnern, wenn ihnen kleine Anekdoten einfallen, sie über vergangene Situationen schmunzeln.“ Das kann ich mir gut vorstellen und wie zum Beweis ihrer Aussage begegne ich beim Ausgang einer älteren Dame mit einem jungen Mädchen, ihre Enkelin vielleicht. Gerade beginnt sie zu erzählen: „Damals haben wir …“. Sie werden bestimmt viel Spaß in der Ausstellung haben. Die Fotografien bieten eine tolle Gelegenheit, etwas über die Braunschweiger Geschichte zu erfahren und vergangene Zeiten mit Leben zu füllen.

Beitragsbild: Städtisches Museum Braunschweig/Walter Ehlers

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